Das Institut für Höhere Studien organisiert sich neu – und stellt den Ökonomielehrgang ein, beklagt ein Absolvent.

Foto: standard/urban

Das Institut für Höhere Studien (IHS) befindet sich in einer prekären Lage. Nach einer sehr erfolgreichen Epoche unter dem damaligen Leiter Bernhard Felderer, bekannt als großer Förderer von Studenten und Wissenschaft, scheint die ökonomische Wissenschaft am Institut unter dem jetzigen Interimsleiter Sigurd Höllinger vor dem Aus.

Das Institut für Höhere Studien wurde 1963 auch mithilfe amerikanischer Wiederaufbaugelder von international anerkannten österreichischen Spitzenforschern Paul Lazarsfeld und Oskar Morgenstern mitbegründet. Primär ging es darum, die nach dem Zweiten Weltkrieg international "hinterherhinkende" Wirtschafts- und Sozialforschung in Österreich zu beleben. Die Ökonomieabteilung am IHS zeichnet seit Gründung des Instituts auch für einen zweijährigen Ökonomielehrgang verantwortlich.

Restrukturierung auf Kosten der Forschung

Erstaunlicherweise wird momentan im Institut von der interimistischen Leitung – anscheinend mit tatkräftiger Unterstützung der Politik – angedacht, die derzeitigen Abteilungen aufzulösen und in sogenannte interdisziplinäre Forschungsbereiche aufzuteilen sowie das Ausbildungsprogramm des IHS einzustellen. Eine interdisziplinäre Organisation, die sich an keinem erfolgreichen ökonomischen Forschungsinstitut weltweit wiederfindet und die gänzliche Verbannung von Studenten wären jedoch gleichbedeutend mit dem Verfall oder sogar Untergang der ökonomischen Forschung am IHS, da das Institut seine Strahlkraft für potenzielle Forscher einbüßen würde. Es erhärtet sich der Verdacht, dass eine solche Restrukturierung politisch eher durchsetzbar ist als eine Schließung, obgleich beide Maßnahmen wohl in ähnlichen Resultaten münden würden.

Argument 1: Die kuriose finanzielle Not

Etwaige Gründe, das Ausbildungsprogramm des IHS und die dafür notwendige Unterrichts- und Forschungsgruppe mutwillig zu zerstören, sind vollkommen schleierhaft. Das in den Medien umhergeisternde Hauptargument an die breite Öffentlichkeit scheint eine Unterfinanzierung des IHS zu sein. Dies ist lachhaft. Erstens kann man an erfolgreiche Grundlagenforschung nicht den Anspruch knüpfen, sich selbst zu finanzieren, und zweitens ist das IHS kurioserweise sogar zu einem größeren Anteil fremdfinanziert als vergleichbare Institutionen im deutschsprachigen Raum.

Darüber hinaus ist das Halten einer ökonomischen Forschungsgruppe lächerlich günstig im Vergleich zu anderen Wissenschaftsdisziplinen. Das liegt vor allem daran, dass der gemeine Ökonom Schreibblock, Bleistift, Laptop und etwaige Daten für empirische Wirtschaftsforschung benötigt. Die Kosten sind allerdings bei einer kleinen – im Sinne der Angestelltenanzahl – Forschungsgruppe, wie sie am IHS existiert, verschwindend gering. Das Gehalt der am IHS angestellten Forscher ist allenfalls mau im internationalen Vergleich.

Seit einigen Wochen und Monaten kursieren in österreichischen Medien spärlich gesäte Wortmeldungen bezüglich dieses Sachverhalts. Allen voran die Beiträge "IHS: Wirtschaftsforscher, ganz forsch" von Hanna Kordik in der Tageszeitung "Die Presse" und der Userkommentar "Institut für Höhere Studien: Wer IST sagt, muss auch IHS sagen" im STANDARD vom früheren IHS-Mitarbeiter und derzeitigen Professor für Finanzwirtschaft der Humboldt-Universität Berlin Alex Stomper sind hervorzuheben.

Stomper spricht etwa vom Abschlussjahrgang 2011, dessen Absolventen an internationalen Spitzenuniversitäten wie Yale, Northwestern oder London School of Economics angenommen wurden, als einem der großen Erfolge der jüngeren Geschichte des IHS. Als Beispiele für frühere prominente Absolventen sind Ernst Fehr, seit Jahren im Kandidatenkreis der Buchmacher für den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften oder auch Wolfgang Pesendorfer, einer der seinerzeit jüngsten Ökonomieprofessoren an der Universität Princeton, zu nennen.

Argument 2: (Mangelnde) Ausbildung an Universitäten

Ein zweites fadenscheiniges Argument gegen die Forschungs- und Unterrichtsgruppe ist jenes, dass die Ausbildung doch von österreichischen Universitäten übernommen wird. Aus eigener Erfahrung und der vieler meiner Kollegen, die ihre Karriere in der Ökonomie an einer der großen Universitäten einschlugen, weiß ich, dass es leider an Akzeptanz und Angeboten von qualitativ hochwertigen Universitäten und Firmen mangelt. Denn österreichische Universitäten sind – großteils wegen mangelnder Finanzierung und aufgrund der Gesetzeslage – leider nicht in der Lage, verlässlich internationale Tostandards in der Betreuung zu erfüllen. In vielen Bereichen mangelt es sowohl an Qualität als auch an Quantität.

Nun scheinen sich einige zu fragen, warum eine österreichische Bildungsinstitution amerikanische Topuniversitäten subventionieren sollte. Diese Sichtweise ist leider ein falscher Schluss. Österreich subventioniert diese Universitäten mitnichten. Vielmehr werden IHS-Absolventen an diesen Bildungseinrichtungen für das Unterrichten, Beraten und für Prüfungskorrekturen von Bachelor- und Masterstudenten mit einem internationalen Spitzenabschluss belohnt, der Türen in Wissenschaft und Wirtschaft weltweit öffnet.

Drei Ziele von volkswirtschaftlicher Bedeutung

Da ein Teil der IHS-Absolventen nach eventuell weiterführender Ausbildung an internationalen Spitzeninstitutionen nach Österreich zurückkehrt, während der Rest in internationaler Wissenschaft und Wirtschaft Karriere macht, stellt der IHS-Lehrgang das Erreichen dreier bedeutender Ziele für die österreichische Volkswirtschaft sicher: Erstens die Existenz top ausgebildeter Wirtschaftswissenschafter für strategisch bedeutende Aufgaben im Inland. Zahlreiche Angestellte des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesministeriums für Finanzen, der Nationalbank, der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer, et cetera in Führungspositionen verfügen etwa über IHS-Abschlüsse. Zweitens ausgezeichnete Vernetzung mit internationalen Entscheidungsträgern in Wissenschaft und Wirtschaft und drittens die Anziehungskraft Österreichs für internationale Top-Ökonomen zu wissenschaftlichem und beratendem Austausch.

Österreich hat für seine international bescheidene Größe eine bedeutende und berauschende Wissenschaftsgeschichte vorzuweisen. Viele Erfolge der österreichischen Wissenschaft liegen jedoch schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück, da eine dunkle Epoche unserer Geschichte die hervorragenden Grundbedingungen für Grundlagenforschung, welche immens auf Überlieferung und Betreuung stützt, ausgelöscht hat. Während der wissenschaftliche Wiederaufbau in Österreich traditionell schleppender voranging als der wirtschaftliche, tat sich das IHS quasi als Fackel im Sturm und internationales Aushängeschild hervor, um welches uns viele Länder beneiden würden. Befragt man internationale Spitzenökonomen oder Spitzenökonominnen aus dem nicht-deutschsprachigen Raum nach Österreich, fallen zumeist die Wörter Staatsoper, Habsburg und IHS.

Kein Anspruch auf Exzellenz?

Die Vermutung liegt nahe, dass die "De-facto-Schließung" der IHS-Forschungsgruppe für Ökonomie und deren Lehrgangs auf einen zwielichtigen Pakt der österreichischen Politik zurückzuführen ist. Damit stellt sich die Frage, ob es die Politik heutzutage als unangebracht empfindet, in Österreich einen Anspruch auf Exzellenz zu stellen. Ich bin glühender Befürworter des freien Bildungszugangs als Maßnahme zur Erhöhung der Wirtschaftsleistung, der allgemeinen Lebensqualität und als Präventivmaßnahme gegen Armut, nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Jedoch scheint der Tenor in Österreich zu oft Chancengleichheit ex ante mit jener ex post zu verwechseln. Leistung darf auch in einem solidarischen Land belohnt und vor allem gefördert werden. (Thomas Jungbauer, 29.9.2015)