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Das Nadelöhr am Salzburger Bahnhof könnte noch enger werden.
Salzburg – Die deutsche Bundesregierung dementierte Gerüchte über die Einstellung von Sonderzügen für Flüchtlinge ab Salzburg ab Montag. Angesichts rund 2.000 ankommender Flüchtlinge täglich hatte zuvor Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) vor einer Eskalation der Situation gewarnt.
Die Salzburger Einsatzleitung habe am Samstagabend von der Verkehrsleitzentrale in Wien erfahren, dass die Sonderzüge mit Montag eingestellt werden sollen, teilte die Stadt Salzburg in einer Aussendung mit. Am Sonntag wies das deutsche Innenministerium aber die Berichte aus Österreich zurück. Bisher gebe es keinen solchen Plan, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Derzeit liefen aber entsprechende Gespräche.
Nichts bestätigen, nichts dementieren
Der Sprecher des deutschen Innenministeriums, Tobias Plate, hatte am Sonntagvormittag noch gesagt, er könne die Berichte "weder bestätigen noch dementieren". Auch das österreichische Innenministerium verweigerte am Samstagabend wortgleich Angaben zu den Plänen: "Ich kann die Information weder bestätigen noch dementieren", erklärte Sprecher Alexander Marakovits. Sonntag früh sagte Marakovits dann zur APA: "Ja, die Information haben wir auch erhalten. Dürfte so sein."
Auch aus dem Außenministerium sowie dem Verteidigungsministerium in Wien und aus der Zentrale der ÖBB konnten zunächst keine genaueren Angaben dazu gemacht werden. Über das weitere Vorgehen ab Montag bestand deshalb noch Unklarheit. Dann hieß es aber unter anderem aus der Berliner Senatsverwaltung, dass am Montagvormittag (11.00 Uhr) ein Sonderzug aus Salzburg mit 450 Menschen in der Hauptstadt erwartet werde.
Zuletzt haben Sonderzüge nach Angabe der ÖBB bis zu 1.200 der gut 2.000 täglich eintreffenden Menschen über die Grenze nach Deutschland transportiert. Die übrigen Flüchtlinge versuchen ihr Glück meist beim Grenzübergang Freilassing, wo sie zuletzt oft stundenlang bei Regen auf ihre Ausreise warteten.
Humanitäre Katastrophe befürchtet
Unabhängig davon, wie es mit den Sonderzügen für Flüchtlinge nach Deutschland weitergeht, wollen Stadt und Land Salzburg gemeinsam mit den Einsatzorganisationen die Versorgung der Menschen, die an der Saalachbrücke vor Freilassing auf die Grenzkontrolle warten, verbessern. Man werde die Infrastruktur an der Grenze verstärken, teilten Land und Stadt nach einer Besprechung am Sonntagmittag mit.
Rotes Kreuz und Caritas hatten am Samstagabend von einer "sich ankündigenden humanitären und sanitären Katastrophe" gesprochen. Welche Maßnahmen konkret gesetzt werden, werde in weiteren Besprechungen des Einsatzstabs geklärt, sagte Thomas Kerschbaum, Sprecher von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) gegenüber der APA.
Die Situation am Salzburger Hauptbahnhof hat sich unterdessen am Sonntag entspannt. Ein Sonderzug mit 421 Personen hat zu Mittag den Hauptbahnhof verlassen, sieben Busse sind mit 400 Flüchtlingen in Richtung Oberösterreich abgefahren. Für die späten Abendstunden war ein weiterer Sonderzug nach Deutschland angekündigt. Am Montag soll die Bahnhofsgarage dann zwischenzeitlich komplett leer sein, um sie gründlich reinigen und desinfizieren zu können, heißt es vom Land Salzburg.
Bereits in den vergangenen Tagen hatten die Salzburger Behörden immer wieder an Wien und Südösterreich appelliert, den Weitertransport der Menschen Richtung Salzburg zu verlangsamen. Tatsächlich sind am Sonntag vorerst keine Weitertransporte von Flüchtlingen aus den Notunterkünften im Süden des Landes geplant gewesen. Die dortigen Übergangsquartiere waren "relativ voll", wie der steirische Polizeisprecher Christoph Grill sagte.
Auch die Kärntner Notquartiere füllen sich, also sollen im Laufe des Sonntags rund 300 Flüchtlinge nach Kufstein in Tirol verlegt werden. 100 Personen aus der Unterkunft am Klagenfurter Südring waren am Nachmittag bereits in zwei Bussen unterwegs, sagte Polizeisprecher Markus Dexl zur APA. Rund 200 weitere Menschen sollen noch am Sonntag via Sonderzug nach Kufstein gebracht werden.
15.000 Flüchtlinge in Österreich
Am Sonntagvormittag befanden sich insgesamt etwa 15.000 Flüchtlinge in Österreich, 13.000 Menschen haben die Nacht auf Sonntag in betreuten Notquartieren verbracht – diese Bilanz zog Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), gegenüber der APA.
Sollte der "Abfluss" wegen fehlender Sonderzüge schwieriger werden und die Leute nachkommen, wird sich die Zahl jener vergrößern, die auf eigene Faust den Weg nach Deutschland suchen, sagte Foitik. "Aber wenn pro Tag zwei Sonderzüge mit insgesamt 1.000 Menschen ausfallen, macht das schon einen Unterschied aus."
Es sei laut dem Bundesrettungskommandanten sehr schwierig zu beurteilen, wie groß bei den Menschen der Druck ist, schnell nach Deutschland zu kommen. Dann werden sie selbst nach Westösterreich fahren und von dort zu Fuß über die Grenze gehen. Wenn sie aber abwarten, dann würden mehr Plätze hierzulande benötigt. "Derzeit gibt es einen kontinuierlichen Flow und deshalb nicht so einen großen Druck", meinte Foitik. Wie sich das aber weiter entwickeln würde, sei überhaupt nicht absehbar.
Andrang an Ungarns Grenzen
Im Burgenland trafen nach Schätzungen der Polizei bis zum späten Sonntagvormittag etwa 5.000 Menschen ein. Von Mitternacht bis 7.00 Uhr hatten rund 3.500 Personen die Grenze überschritten. Am Vormittag kam dann ein weiterer Zug mit 1.500 Menschen im ungarischen Grenzbahnhof Hegyeshalom an. Am Samstag hatten rund 12.000 Flüchtlinge das Burgenland erreicht.
Der Flüchtlingsstrom nach Ungarn lässt befürchten, dass auch der Andrang nach Österreich weiterhin nicht nachlassen wird. Laut Angaben der Polizei sollen 9.472 Flüchtlinge in Ungarn eingetroffen sein. 9.268 Migranten kamen über die kroatisch-ungarische, der Rest über die serbisch-ungarische Grenze nach Ungarn, berichtete die Ungarische Nachrichtenagentur MTI am Sonntag.
Seit Jänner wurden in Ungarn 268.780 Migranten registriert. Ein Flüchtlingsrekord war letzte Woche mit insgesamt 10.046 Migranten verzeichnet worden.
20-Minuten-Intervalle
Auch an der türkisch-griechischen Grenze reißt der Strom nicht ab. Knapp 4.000 Flüchtlinge haben am Sonntag das griechische Festland erreicht. Fähren brachten die Menschen von der Ägäis-Insel Lesbos nach Piräus, wie das staatliche Fernsehen (ERT) berichtete. Befragt von Reportern, wohin sie wollen, nannten die Flüchtlinge fast einstimmig Westeuropa als ihr Ziel.
Dutzende Busse fahren täglich von Athen sowie der Hafenstadt Thessaloniki an die griechisch-mazedonische Grenze nach Idomeni. Dort lässt die Polizei die Menschen mittlerweile in kleineren Gruppen in 20-Minuten-Intervallen ins Land. In den vergangenen Wochen waren Polizisten noch brutal gegen Flüchtlinge vorgegangen. Von der mazedonischen Kleinstadt Gevgelija aus fahren täglich Züge weiter nach Serbien, von wo die Menschen über Kroatien oder über Ungarn weiter in Richtung Westeuropa – etwa Österreich und Deutschland – reisen. (APA, ruep, 26.9.2015)