Berlin – Es ist das größte Manöver der NATO seit 13 Jahren. 36.000 Soldaten werden in den nächsten sechs Wochen in Spanien, Portugal und Italien aufmarschieren. 130 Flugzeuge, 16 Hubschrauber sowie 60 Schiffe und U-Boote sind im Einsatz. Neben den 28 NATO-Staaten nehmen 14 Partner- und Beobachternationen an der Übung teil.

Die deutsche Bundeswehr schickt 3000 Soldaten – mehr als sie derzeit in all ihren 16 Auslandseinsätzen zusammen hat.

Die NATO übt in diesem Jahr besonders viel – vor allem im östlichen Bündnisgebiet. Staaten wie Litauen, Estland, Lettland, aber auch das deutlich größere Polen fühlen sich seit Beginn der Ukraine-Krise von ihrem mächtigen Nachbarn Russland bedroht. Die Übungen sollen den NATO-Partnern den Rücken stärken. So wurde im Juni erstmals die neue schnelle Eingreiftruppe der NATO, die so genannte "Speerspitze", im westpolnischen Sagan getestet.

2100 Soldaten zeigten dort dem eigens angereisten NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und vier Verteidigungsministern – darunter Ursula von der Leyen – was sie können. Stoltenberg gab damals die Parole aus: "Die NATO wird sich weiter um Dialog und Kooperation bemühen, aber das kann nicht auf der Grundlage von Schwäche geschehen."

Das Manöver "Trident Juncture" (Dreizackiger Verbindunspunkt) übertrifft nun alles, was in den letzten Monaten geübt wurde. An diesem Montag beginnt eine Vorübung, der offizielle Starttermin ist der 3. Oktober. Der große Truppenaufmarsch findet dann zwischen dem 21. Oktober und dem 6. November statt.

Mit den Arbeiten an dem "Drehbuch" begann eine NATO-Einheit im norwegischen Stavanger bereits vor mehr als zwei Jahren. Im Mittelpunkt stehen die beiden virtuellen afrikanischen Staaten Kamon und Lakuta und ihr Konflikt um den kostbaren Rohstoff Wasser und die Kontrolle von Staudämmen. Der UN-Sicherheitsrat bittet die NATO um Hilfe, das Bündnis interveniert mit Land-, Luft- und Seestreitkräften. Der Feind wird per Computer simuliert.

Für die NATO geht es erneut um den Test ihrer schnellen Einsatzkräfte und um das Training für neue Einsatzszenarien wie die "hybride Kriegsführung", also Angriffe mit verdeckten Mitteln: Wirtschaftlicher Druck, Propaganda, Cyberattacken oder verdeckte Militäroperationen, wie sie Russland in der Ostukraine vorgeworfen werden.

Dass "Rapid Trident" so groß geraten ist, hat auch etwas damit zu tun, dass die NATO-Streitkräfte seit dem Ende des Kampfeinsatzes in Afghanistan vor knapp einem Jahr wieder größere Kapazitäten haben. Zwischen 2001 und 2014 waren bis zu 130.000 Soldaten des Bündnisses am Hindukusch stationiert. Jetzt ist nur noch ein Zehntel der Truppe für Ausbildungszwecke übrig geblieben.

"Die NATO hat jetzt wieder etwas Luft", sagt Harald Kammerbauer, Sprecher der an der Übung beteiligten deutschen Soldaten. Für die Bundeswehr hat zwar die Zahl der Einsätze in den letzten Jahren nicht abgenommen, die Zahl der eingesetzten Soldaten sank aber deutlich. 2002 hatte die Truppe noch mehr als 10 000 Soldaten im Einsatz, jetzt sind es nur noch rund 2800.

Die vor fünf Jahren vom damaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angeschobene Bundeswehrreform basierte noch auf der Annahme, dass die Bundeswehr sich immer mehr zur Armee im Einsatz entwickeln würde. Die Ukraine-Krise hat die Prioritäten wieder etwas verschoben. Die Bundeswehr übt jetzt wieder mehr innerhalb Europas, als dass sie sich in Einsätzen jenseits des Kontinents engagiert. (Michael Fischer/dpa, 27.9.2015)