Oberösterreich hat, so wie Bayern (mit Ausnahme der kurzzeitigen Münchner Räterepublik), nie eine nennenswerte Linke gehabt. Aber eine umso stärkere Rechte. Weshalb sich im demokratischen Nachkriegsdeutschland unter Franz Josef Strauß (den man gerade feiert) eine CSU gebildet hat, der in Oberösterreich ideologisch eine Vereinigung von ÖVP und FPÖ entsprechen würde. Die Heimat Adolf Hitlers hat sich von den autoritären Strukturen der 1930er-Jahre genauso emanzipiert wie der nachbarliche Freistaat, wo der Nationalsozialismus seine frühe Wirkmacht entwickelt hat.

Geblieben ist aber, was man in anderen Gegenden Mitteleuropas, in Ungarn zum Beispiel, in Kärnten und der Steiermark, in der Ostschweiz festmachen kann: die Macht der Gefühle in Krisenzeiten. 1986, auf dem Höhepunkt der Waldheim-Affäre, hat der Schriftsteller Josef Haslinger seinen Essayband Die Politik der Gefühle publiziert. Darin versuchte er zu erklären, warum jemand, der zwar kein Exponent des Nazi-Regimes, aber ein Mitläufer war, im Kreuzfeuer von Angriff und Verteidigung bei den Präsidentschaftswahlen eine klare Mehrheit erhielt.

Waldheim wurde, obwohl ÖVP-Kandidat, zum Exponenten einer Stimmungslage, die in Österreich damals den Wunsch, zu vergessen und zu verdrängen, zu einem Vehikel der politischen Renaissance des Nationalismus machte. Jörg Haiders Aufstieg begann.

Er selbst ist tot, sein Vermächtnis lebt.

Die Verdoppelung des Wähleranteils der FPÖ in Oberösterreich verdeutlicht einige Trends, die seit langem offensichtlich sind, von den Granden in ÖVP und SPÖ aber ignoriert werden.

1. In einem Krisenklima gehen die Wähler in den alpinen Landschaften zum Schmied und nicht zum Schmiedl. Also zur FPÖ und nicht zur ÖVP oder SPÖ. Pühringer und Mitterlehner ticken rechts und werden verschlungen.

2. Die Angst vor den Fremden (=Muslime) treibt die rechtschaffenen Christen in eine "Volksgemeinschaft", die mit Zäunen und Stacheldraht geschützt wird.

3. Die "Globalisierung" wird nicht nur von den Fakten (zum Beispiel Bankenskandale) als Schimäre entlarvt, sondern auch von ihren Propagandisten fallengelassen. Reinhold Mitterlehner hat in der Wahlpanik der letzten Tage ebenso "Zäune gegen Flüchtlinge" bejaht.

4. Das oberösterreichische Wahlergebnis ist eine erneute Bankrotterklärung der Sozialdemokratie. Werner Faymann hat zuletzt zwar für Konturen (gegenüber Ungarns Orbán) gesorgt, aber ein Programm als Alternative zur FPÖ hat die SPÖ nicht.

Die nächste Runde des gegenwärtigen politischen Dramas steigt am 11. Oktober in Wien. Michael Häupl hat, im Unterschied zu Josef Pühringer, einen anderen Weg gewählt: die Opposition zu allem, was fremdenfeindlich und isolationistisch ist.

Wir werden sehen, wie viel Stimmenanteile der Wiener Bürgermeister verliert. Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur die Macht der Gefühle einschätzen lassen. Sie wird auch den weiteren Gang der Bundespolitik massiv beeinflussen. (Gerfried Sperl, 27.9.2015)