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Flüchtlinge warten in der Grenzstadt Tovarnik auf die Einreise von Serbien nach Kroatien. Zagreb wollte erreichen, dass die Schutzsuchenden wieder über Ungarn nach Deutschland reisen – ohne Erfolg.

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Zagreb/Belgrad – "Ich empfinde meine Gegner wie Orden auf meinem Anzug. Ich werde überhaupt nicht mehr mit Vucic sprechen", beschrieb der kroatische Premier Zoran Milanovic seine Kooperationsbereitschaft mit seinem serbischen Amtskollegen. Aleksandar Vucic parierte, er würde sogar mit einem "schwarzen Teufel" sprechen, wenn dies von Vorteil für Serbien und die Region sei.

Die kroatische Regierung ist erbost, dass ihr im Streit mit dem Nachbarn keine Unterstützung der EU-Kommission zuteilwurde. Im Gegenteil: Gerade weil Experten in der EU-Kommission überprüften, ob die Blockade des Güterverkehrs an der Grenze zu Serbien EU-rechtswidrig sein könnte, musste Kroatien die Grenze vergangene Woche wieder öffnen.

Die Regierung in Zagreb wollte erreichen, dass die Flüchtlinge wieder über Ungarn nach Deutschland reisen und nicht wie jetzt großteils über Kroatien. Am Wochenende kamen 6500 Schutzsuchende ins Land. Experten meinen, dass sie künftig auch über Albanien und Montenegro nach Kroatien kommen könnten. Auch davon will Milanovic nichts wissen. Er schloss am Montag kategorisch aus, dass es in Dubrovnik, also an der kroatischen Küste, ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge geben könnte. "Das wäre eine Quälerei, dann müssten sie über die Berge", so der Premier. Er behielt sich vor, abermals die Grenze zu Serbien zu schließen – obwohl die Blockade der vergangenen Woche gezeigt hatte, dass die Flüchtlinge trotzdem kamen.

Kroatische Vorurteile

Kroatien befindet sich im Wahlkampf – der Urnengang soll spätestens am 22. November stattfinden. Viele Beobachter gehen davon aus, dass Milanovic auch deshalb Serbien rhetorisch derart angegriffen hat. Vergangene Woche hatte er von einem "desorganisierten Staat" gesprochen und das in Kroatien verbreitete Vorurteil aufgenommen, wonach sein Land im Gegensatz zu den Balkanstaaten zivilisatorisch überlegen sei.

In Kroatien fürchten Vertreter der serbischen Minderheit Konsequenzen wegen der verschlechterten Beziehung zu Serbien. In Belgrad forderten Vertreter der Zivilgesellschaft: "Spielt nicht mit den 1990er-Jahren!" Wer von Serbien auf der Autobahn nach Kroatien fährt, wird unweigerlich damit konfrontiert. Auf einem Plakat, das auf dem serbischen Grenzhäuschen klebt, sind Flüchtlinge zu sehen. Sie haben aber nichts mit den heutigen Flüchtlingen zu tun, sondern mit jenen, die vor 20 Jahren von Kroatien nach Serbien flüchten mussten, nachdem im August 1995 die kroatische Armee die Krajina zurückerobert hatte. "Oluja war ein Pogrom", ist auf dem Plakat zu lesen. In Kroatien wird die Militäroperation hingegen gefeiert.

Viele in der Region werden auch an die Vertreibung der Kroaten aus Slawonien und der Baranja im Jahr 1991 erinnert, wenn sie die heutigen Flüchtlinge sehen, und sind gerade deshalb hilfsbereit. Denn genau dort, wo die Flüchtlinge nun über die Grenze kommen, wurden die Kroaten durch die Jugoslawische Volksarmee und serbische Verbände vertrieben. Erst nach dem Abkommen von Erdut im November 1995 konnten sie zurückkehren. (Adelheid Wölfl, 29.9.2015)