Der Schaufenstercharakter der Kunsthalle am Karlsplatz trifft sich gut mit der Personale Charlemagne Palestines. Der US-Künstler schließt animistische Weltanschauungen und Konsumgesellschaft kurz.

Foto: Stephan Wyckoff

Wien – Hat die Kunsthalle am Karlsplatz jetzt auf Spielzeugflohmarkt umgesattelt? Man könnte es einen Augenblick lang meinen, wenn man durch die Glasfassade in die Ausstellung des US-Künstlers Charlemagne Palestine sieht:

Hunderte Stofftiere hat Palestine dort arrangiert. Bären, Affen, Drachen sind zu Tableaus drapiert, aber auch Clowns, Schlümpfe oder M&Ms – ziemlich viel von dem, was man sich ausgestopft vorstellen kann. Die Viecherln kuscheln sich auf einem Klavier zusammen oder lugen, als ob sie auf "Schiffen" reisten, aus Koffern hervor. Manche baumeln an Fallschirmen von der Decke, die voller grellbunter Stofffetzerln hängt.

Im Inneren des Ausstellungsraums findet man indes nicht nur diverse plüschtierfreie Kunstwerke, sondern die Sammlerwohnzimmeratmosphäre wird überhaupt gebrochen: Langgezogene, gesungene Töne aus den Tiefen des menschlichen Körpers durchwehen, von Performancevideos herkommend, die schrille Kinderzimmerwelt. Sie bilden zusammen mit einem monoton-einlullenden Klavierstück sowie einem stehenden Grundton aus Spielzeugsynthesizern den Soundtrack dieses aberwitzigen Kosmos, dessen Sonnen Discokugeln sind.

"Na servas!" ist nun eine durchaus legitime Reaktion. Charlemagne Palestines Schau klatscht einem ihre Durchgeknalltheit ja schon per Titel ins Gesicht. Er lautet GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt. Angesichts des plüschenen Rauschens könnte einem allerdings auch ein herzhaftes "Heiliger Bimbam!" entfahren. Und tatsächlich brächte einen ein solches unversehens recht nahe an die Substanz dessen, was hier eigentlich vorgeht.

Es ist nämlich so: Das "Gesamtkunst-Meschuggeland" des Charlemagne Palestine, geboren 1945 als Charles Martin, Sohn osteuropäischer Juden, ist eine Art von Götterhimmel, in welch selbigem man sich das Wort "Stofftier" gefälligst verwehren sollte. Die Viecherln sind Gottheiten, und zwar nicht bloß jene großen dreiköpfigen Teddybärstatuen, denen man das Heilige geradezu ansieht, sondern auch die Kleinen und die Verwaschenen. "Sie sind Wesen mit Ausdruck", sagt Palestine, vor allem aber solche "mit Traurigkeit".

Das Leiden der Stofftiere

Die Tragik der Kuscheltiere sieht er darin, dass die Gesellschaft sie lediglich als "Übergangsobjekte" begreift. Da würden Eltern ihren Kindern auf Flohmärkten "die vielleicht besten Freunde ihres Lebens" kaufen, sagt Palestine, nur um sie ihnen dann unvermittelt wieder wegzunehmen. Der Künstler hat eine solche Verwundung am eigenen Leib erfahren, als ihm die Mutter vor der Bar-Mizwa sämtliche Stofftiere entzog. Mit bedingungsloser Vergöttlichung sollen die Stofftiere von ihrem Schicksal als Kindheitsobjekte erlöst werden.

Die Idee, animistische Weltanschauungen und dazugehörige Praktiken auf die Konsumkultur zu übertragen, ist ein wesentlicher Schlüssel zur Ausstellung Palestines, der sich selbst einmal als "Blinder Affe mit drittem Auge" bezeichnete. Auf ihr beruht seine persönliche Form von Kunstschamanismus à la Beuys, die er zum Markenzeichen erkor.

Im Nebeneinander von Performance und Plastikkulleraugen, aber auch von Reflexionen über die jüdische Kultur oder Soundzeichnungen verbinden sich dabei die diversen Kunstpraxen, die sich Palestine zwischenzeitlich angeeignet hat, zu einem maximalistischen Ganzen, in das sich der Künstler dank exzentrischen Kleidungsstils nahtlos einfügt. "Maximalismus" ist Palestines Antwort auf Versuche, ihn als Minimalisten einzuordnen, bloß weil er reduzierte Klavierstücke schrieb. Alles seien sie gewesen "texturenreich, resonierend, sinnlich, physisch" – nur nicht minimalistisch. (Roman Gerold, 28.9.2015)