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Flüchtlingsquartier in der Linzer Tabakfabrik: In der Asylkrise schreiben FPÖ-Wähler den Blauen die höchste Kompetenz zu.

Foto: Dostal

Gleich vier Bezirke räumten die Blauen bei der Landtagswahl in Oberösterreich ab: Seit dem Wahlsonntag hält die FPÖ in Braunau und in Schärding sowie in Wels und Steyr die relative Mehrheit an Stimmen. Damit gibt es keinen SPÖ-dominierten Bezirk mehr.

Im Detail legte die Partei in den beiden Innviertler Bezirken gar auf 37,22 bzw. 38,76 Prozent zu, was Zuwächsen von fast 19 beziehungsweise 20 Prozentpunkten entspricht. Die ÖVP hingegen rasselte in Braunau von 48,9 Prozent (im Jahr 2009) auf 36,1 Prozent herunter, in Schärding wiederum von 53 Prozent auf 35 Prozent.

Keineswegs aus dem Boden geschossen

Ein ähnlich dramatisches Bild ergibt sich für die beiden Ballungszentren in der Nähe von Linz. Im Bezirk Wels wie in der gleichnamigen Statutarstadt fuhren die Freiheitlichen jeweils rund 34 Prozent ein. In Steyr-Land wiederum konnten sie um fast 16 Prozentpunkte auf 28 Prozent zulegen. Und auch in der Stadt Steyr wurde die FPÖ mit 30,82 Prozent stimmenstärkste Kraft, dort war sie im Jahr 2009 bloß dritte gewesen. Bei der Gemeinderatswahl hingegen konnten die Sozialdemokraten in der Statutarstadt gerade noch ihre Mehrheit verteidigen.

Doch die neuen blauen Hochburgen schossen keineswegs unerwartet aus dem Boden, wie der Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit dem STANDARD analysiert.

Bastion des Dritten Lagers

Denn schon seit 1945 gilt das Innviertel als feste Bastion des deutschnationalen Lagers, zunächst profitierte der Verband der Unabhängigen (VdU) von diesem Potenzial, später die FPÖ als Nachfolgepartei. Bis heute haben die Freiheitlichen dort "eine hohe Organisationsdichte", so der Politikexperte über die guten Bedingungen für ihre enormen Zuwächse. Dazu befördere die Grenznähe zu Deutschland stets auch "die bis heute bajuwarisch geprägte Situation". Ob die Nähe des Innviertels zum großen Nachbarn auch Ängste vor noch mehr Flüchtlingsankünften befeuert habe? Zur Erinnerung: Just am Wahltag hieß es, dass Deutschland nun die Sonderzüge für Schutzsuchende einstellen wolle, was die Regierung in Berlin später allerdings ohnehin dementierte. Auch wenn die Asylkrise nicht der einzige Grund für die blauen Wahlerfolge war, so wirkten die Sorgen vor einem Flüchtlingsstau an den Grenzübergängen wohl zusätzlich "wie ein Turbo", erklärt Hofer.

Sorgen um Jobs, umtriebiger Bürgermeister

Die Bezirke Wels und Steyr hingegen galten wegen der ansässigen Industriebetriebe jahrzehntelang als rotes Kernland, denn dort konnte die SPÖ lange auf die Stimmen der Arbeiterschaft zählen. Doch schon bei der letzten Landtagswahl vor sechs Jahren war es etwa in Wels für die Sozialdemokraten vorbei mit dem ersten Platz, sie fuhren damals schon herbe Verluste ein.

Von den zunehmenden Sorgen der Facharbeiter um den eigenen Job, dem nunmehrigen hohen Flüchtlingsandrang, aber auch dem umtriebigen FPÖ-Bürgermeisterkandidaten Andreas Rabl konnten die Freiheitlichen bei der Landtagswahl in Wels insgesamt enorm profitieren, sagt Hofer.

Blaue Kernkompetenz

Dass das Thema Flüchtlinge über Wochen hinweg alle Medien dominierte, habe die Zugewinne der FPÖ noch verstärkt, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschafter an der Universität Wien: Zwar trauten die Wähler den Freiheitlichen nicht unbedingt zu, schnelle Lösungen für die Flüchtlingsunterbringung zu finden, doch hielten sie die Blauen für am meisten glaubwürdig, so der Forscher im STANDARD-Interview.

Dass es tatsächlich Probleme im Zusammenleben mit Flüchtlingen gibt, lässt sich aus den FPÖ-Zugewinnen jedoch nicht schließen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Viel Kontakt mit Asylsuchenden ist nicht gerade die allerbeste Wahlwerbung für die Blauen.

In Thalham beispielsweise, wo sich eine Erstaufnahmestelle für Asylwerber befindet, hat die FPÖ weniger dazugewonnen als im Landesdurchschnitt. In Bad Kreuzen wiederum, wo die langjährige Bundesbetreuungsstelle zum oberösterreichischen Asylverteilerzentrum wurde, legte die FPÖ zwar um 17 Prozentpunkte auf knapp 29 Prozent zu, der Ort mit einer Asylwerberquote von 10 Prozent bleibt trotz massiver ÖVP-Verluste aber schwarze Hochburg mit 54,68 Prozent.

Kaum Bezug zu Asylquartiere

Und in St. Roman im Bezirk Schärding, wo die Blauen so erfolgreich waren wir sonst nirgends – mit einem Plus von 34 Prozentpunkten und einem Ergebnis von knapp 50 Prozent der Stimmen -, wohnt überhaupt kein Asylwerber.

Politologe Ennser-Jedenastik hat untersucht, inwiefern sich das Wahlverhalten in Gemeinden mit Asylunterkünften und in Kommunen mit null Prozent Asylwerberanteil unterschied. Das Ergebnis: Wo Asylsuchende leben, schnitten die Freiheitlichen etwas schlechter ab.

Relativiert werden die FPÖ-Zugewinne auch durch die Wahlen in der Steiermark im Mai: Hier konnten die Blauen noch stärker zulegen als in Oberösterreich. Von Asylwerberankünften wie in diesen Tagen war man damals aber noch weit entfernt. (Maria Sterkl, Nina Weißensteiner, 29.9.2015)