65 Wohnungen sollen über Supermarkt und Parkdeck entstehen.

Visualisierung: Untertrifaller
Visualisierung: Untertrifaller

"Ebenerdige Schachteln und davor ebenerdige Parkplätze": So fasst Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr zusammen, wie Supermärkte oft aussehen. Ursprünglich hätte so ein Supermarkt auch in der Zschokkegasse im 22. Wiener Gemeindebezirk entstehen sollen. Nun, zwei Jahre später, schauen die Pläne dafür anders aus: Im Untergeschoß gibt es eine Tiefgarage, das Erdgeschoß teilen sich ein Lidl-Supermarkt und ein Parkdeck, darüber sollen 65 Sozialwohnungen entstehen.

Das Grundstück sei gewidmet, der Bauverhandlungstermin werde noch heuer sein, bestätigt Reinhard Pfeiffer vom gemeinnützigen Bauträger EBG, der das Projekt umsetzt. Er rechnet mit einem Baubeginn Mitte 2016 und einer Fertigstellung nach 18 Monaten Bauzeit. Derzeit sei aber alles noch "sehr vage", betont er, weil es noch keine Förderungszusicherungen gebe.

Ein ähnliches Projekt wurde beim Wiener Auhofcenter bereits verwirklicht: Im Sommer wurden 71 geförderte Mietwohnungen übergeben, die als Überbauung des Einkaufszentrums entstanden sind. Die rechtliche Situation war nicht ganz einfach, hieß es damals vom gemeinnützigen Bauträger WBV-GPA zum STANDARD.

Potenzial für "tausende Wohnungen"

Die Rechtslage gestaltet sich in diesem Fall aber anders, sagt Chorherr. Denn der Vorteil sei, dass nicht auf ein fertig geplantes Einkaufszentrum Wohnungen gebaut werden, sondern dass die Wohnungen von Anfang an fix eingeplant sind. Außerdem würde die EBG Wohnen das gesamte Gebäude bauen und dieses dann an die Supermarktkette vermieten, was die Sache erleichtere.

Mit dem Projekt leiste man einen wesentlichen Beitrag zur wachsenden Stadt, sagt Chorherr. Gemeinnützige würden nämlich angesichts "explodierender Grundstückskosten" oftmals keine Liegenschaften mehr finden, die gefördertes Wohnen zulassen. Geht es nach Chorherr, gibt es in Wien das Potenzial, auf diese Art "tausende Wohnungen" zu errichten: "Man möge durch alle Bezirke gehen und sich dort anschauen, wie viel Platz die Parkplätze einnehmen."

Damit knüpfe man an eine "jahrtausendealte Geschichte der Stadt" an, in der in den Erdgeschoßflächen produziert und eingekauft wurde und darüber gewohnt. "Wir erfinden also das mehrgeschoßige Haus neu."

Sechs Projekte in Diskussion

Derzeit seien in Summe sechs ähnliche Projekte mit Handelskonzernen in Arbeit. Im 23. soll beispielsweise ein Kindergarten auf einer Billa-Filiale landen, auch eine Schule auf einem Spar-Supermarkt sei in Diskussion.

Grundsätzlich findet Pfeiffer derartige Konzepte vernünftig. Ein "ganz gleichartiges" Projekt habe man zwar noch nicht entwickelt, an der Breitenfurter Straße entstehen aber derzeit 43 geförderte Mietwohnungen auf einem Supermarkt. Wichtig sei bei solchen Projekten, "bis zu einem gewissen Grad flexibel zu bleiben". Denn die gewerberechtliche Einreichung des Supermarkts könne Planungsänderungen nach sich ziehen – was dann problematisch sei, wenn der Rohbau schon steht.

Im Fall des Projekts im 22. Bezirk sei aber die gewerberechtliche Einreichung bereits erfolgt. Bei Wohnungen über Nahversorgern sei es zudem nötig, dass die Supermärkte begrenzte Anlieferungszeiten haben, um die Nachtruhe der Bewohner zu gewährleisten.

Skeptische Supermärkte

Skepsis der Supermärkte gibt es nach wie vor, so Chorherr: Immer wieder werde betont, wie wichtig ebenerdige, leicht zugängliche Parkplätze seien. Ein Konzept, wie es nun für den 22. Bezirk geplant ist, könne man so jedenfalls niemandem vorschreiben. Der Architekt des Projekts, Much Untertrifaller, habe das Unternehmen aber mit seinen Entwürfen überzeugt. "Natürlich wäre es für uns einfacher gewesen, eine Schuhschachtel hinzustellen", sagt Lidl-Pressesprecher Simon Lindenthaler. "Aber da, wo die Gegebenheiten im urbanen Raum passen, machen wir das."

Wie es sich auf einem Supermarkt so lebt? "Beim Auhofcenter merken das die Bewohner nicht einmal", ist Chorherr überzeugt. "Und außerdem muss man dann nicht mit dem Auto einkaufen fahren." (Franziska Zoidl, 1.10.2015)