Wien – Wer wissen will, was die Cochrane Collaboration tut, braucht im Grunde nur einen Blick auf ihr Logo zu werfen: Darauf sind stilisierte Statistikplots von Studien zu einer vorbeugenden Therapie für Neugeborene zu sehen. Hinweise, dass die Gabe von Corticosteroiden die Lungenreifung beschleunigen und daher bei vorzeitig geborenen Babys die Überlebenschancen erhöhen kann, gab es seit den späten 1970er- Jahren.

Doch erst eine Metaanalyse der Cochrane-Forscher in den 1990er-Jahren räumte alle Zweifel aus. "Wäre diese Behandlung früher eingesetzt worden, hätte man wahrscheinlich den Tod tausender Frühgeborener verhindern können", sagt Gerald Gartlehner, Direktor der österreichischen Cochrane-Zweigstelle an der Donau-Uni Krems.

Die Zweigstelle gibt es nun schon seit zehn Jahren und ist Teil eines internationalen Netzwerks, das regelmäßig den Stand des medizinischen Wissens in Form von Überblicksarbeiten zusammenfasst. Immerhin 5000 solcher Analysen haben die Forscher bislang verfasst, eine aus dem letzten Jahr löste auch außerhalb der Fachkreise ein beachtliches Echo aus. In dieser Arbeit ging es um die Wirksamkeit des Influenzamedikaments Tamiflu, das von vielen Ländern in großen Mengen für eine etwaige Vogelgrippeepidemie gebunkert wurde – auch in Österreich.

Wie sich herausstellte, hatte der Hersteller, die Pharmafirma Roche, die Wirkung des Präparats deutlich übertrieben (siehe Interview). Die Anschaffung des Medikaments war nicht billig, doch den verantwortlichen Politikern will Gartlehner keinen Vorwurf machen.

Mit dem damaligem – mangelhaften – Stand des Wissens sei die Entscheidung korrekt gewesen, sagt der Leiter des Departments für evidenzbasierte Medizin an der Donau-Uni Krems. Anders sehe es indes bei einer Neuanschaffung von Tamiflu aus, die in nächster Zeit nach Ablauf der Haltbarkeit anstünde: "Das würde ich heute nicht mehr empfehlen."

Das nächste Cochrane-Kolloquium findet vom 3. bis 7. Oktober in der Messe Wien statt. Unter den Vortragenden sind Ida Sim von der University of California, der Vorsorgemediziner John Ioannidis (Stanford University) und der Arzt Ben Goldacre, der sich als Autor mit dem Missbrauch von Wissenschaft durch Politiker oder Pharmafirmen beschäftigt. (cz, 30.9.2015)