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Knapp 14 Jahre nach Marcel Reich-Ranicki moderiert Volker Weidermann (li.) das neue "Literarische Quartett". Zum ersten Mal am kommenden Freitag um 23 Uhr.

Fotos: ZDF/AP

Wien – Ohne Eitelkeit gebe es kein Schreiben, so sagte einst Marcel Reich-Ranicki. Er meinte beide, Autor wie Kritiker – die anderen und auch sich selbst: "Eitelkeit muss dabei sein. Sonst entsteht nichts." Wenn am kommenden Freitag um 23 Uhr nach neun Jahren Das literarische Quartett neu startet, ist das mehr ein Sieg der Eitelkeit, als einer der Vernunft.

Denn die Voraussetzungen für den televisionären Bücherclub stehen vordergründig nicht gerade zum Besten. Wiederaufnahmen funktionieren im Fernsehen selten. Das österreichische Beispiel lieferte dazu der Club 2.

Erinnerung täuscht

Stets mit dem Beiwort "legendär" versehen, waren dies – seien wir uns ehrlich – oft genug Diskussionsrunden lähmenden Charakters. Fernsehnostalgiker sahen darüber großzügig hinweg und beklatschten die Wiederaufnahme beglückt – um sich kurz darauf schon wieder abzuwenden: Es sei eben nicht, was es früher war. Dass mit den neuen Gastgebern Volker Weidermann, Christine Westermann und Maxim Biller ebenso verfahren wird, steht zu befürchten. So ähnlich wie Literaturverfilmungen hinke die Adaption dem Original meist hinterher, heißt es dann. Das stimmt, aber oft täuscht die Erinnerung.

In Zeiten von Bestsellerlistenliteratur und Onlinebestellen hat das Buch einen schweren Stand wie noch nie. Klassiker werden zum Nullpreis verscherbelt. Warum man ausgerechnet im Auslaufmedium Fernsehen nach Büchertipps suchen soll, lässt sich nicht hinreichend begründen. Gast der ersten Runde ist Juli Zeh, diskutiert werden Werke von Karl Ove Knausgård und Ilija Trojanow sowie über Debütromane von Péter Gárdos und Chigozie Obioma. Man will am Puls der Zeit sein.

Ein weiterer Punkt gegen ein langes Leben des Quartetts wiegt schwerer: Fernsehsender verfügen über keine rasend große Geduld, was die Publikumsakzeptanz betrifft. Schnell ist eine Idee erdacht, ein Sendeplatz gefunden. Aber erreicht das neue Programm nicht in kurzer Zeit die erhoffte Quote, ist es schon Geschichte. Auf diese Weise verfuhr Sat.1 soeben mit Mila, einer mit Pauken und Trompeten lancierten Telenovela, die es nicht einmal elf Tage im Hauptprogramm hielt und die dann ins Spartenfernsehen verräumt wurde.

Wortschleuder

Nun ist Sat.1 nicht das ZDF, und Mila ist nicht Volker Weidermann. Nur: Volker Weidermann ist auch nicht Marcel Reich-Ranicki. Dem wortschleudernden Literaturkritiker weinen bis heute viele manch bittere Träne nach. Dem Spiegel-Chefkritiker Weidermann wird etwas boshaft ein beschränktes rhetorisches Repertoire nachgesagt, das sich im Wesentlichen auf Ableitungen der Wörter "Welt" (Weltschmerzbuch, Weltwutautor, Weltbeglücker), "Wirklichkeit" (Wirklichkeitsschriftsteller) "Wahrheit", (Wahrheitsfinder, Wahrheitssucher) und "Leben" (Lebensflucht, Lebensleere) reduziere. Eine ausführliche Liste ist bei David Schuh in Konkret nachzulesen.

Die Einfalt könnte zum größten Plus der Neuauflage geraten: In die "Eitelkeitsmaschine" Fernsehen (Sigrid Löffler), die von Vereinfachungen lebt, könnte der 46-Jährige Weidermann gut passen. (Doris Priesching, 30.9.2015)