Die Nervosität ist groß – und zwar aus guten Gründen. Denn von den Sonderzügen für Flüchtlinge aus Österreich ins für sie gelobte Deutschland hängt viel ab: Die fortgesetzte Aufnahmebereitschaft des großen Nachbarstaats und die diesbezügliche Zusammenarbeit mit der Regierung in Wien entscheiden über den künftigen Umgang mit Asylsuchenden in weiten Teilen Europas.
Würde Deutschland von seiner bisherigen Großzügigkeit abgehen, käme es binnen Tagen zu einem Rückstau abertausender Menschen in Österreich. Ebenso rasch würde sich derselbe Effekt in den Staaten zeigen, die die Schutzsuchenden auf dem Weg nach Österreich durchqueren, weshalb wohl ein Land nach dem anderen zu strenger Flüchtlingskontrolle gezwungen wäre.
In einer Art Kettenreaktion würde Regierung nach Regierung versuchen, die Menschen aufzuhalten – um den Preis hochgezogener Grenzen, von Stacheldrahtverhauen und bewaffneten Abwehreinsätzen.
Grund dafür ist, dass es für den Umgang mit dem Flüchtlingsandrang in Südost- und Mitteleuropa EU-weit keinerlei Absprachen gibt. Mit der Brüsseler Quoteneinigung vor einer Woche wurde lediglich die Aufteilung von 160.000 Flüchtlingen aus den Unionsgrenzstaaten vereinbart. Die Staaten, durch und in die die Asylsuchenden streben, bleiben völlig auf sich allein gestellt: ohne deutsche Züge ein Einfallstor für krisenbedingten Nationalismus. (Irene Brickner, 29.9.2015)