Als Google im Vorjahr sein Nexus 6 präsentierte, stieß man damit selbst bei vielen eingeschworenen Google-Fans auf ein gelangweiltes "Ja, eh". Zu groß und zu teuer sei das 6-Zoll-Smartphone, kann man die Kritik relativ kurz zusammenfassen. Mit einem Doppelschlag versucht es Google nun ein Jahr später neu: Vor kurzem wurden das Nexus 5X und das Nexus 6P vorgestellt. DER STANDARD hatte im Anschluss an die Präsentation im Google-Büro in London die Möglichkeit, erste Eindrücke zu sammeln.

Vereinheitlichung

Was dabei sofort auffällt, ist, wie stark Googles Handschrift mittlerweile auch beim Hardwaredesign zu sehen ist. War so manches frühere Smartphone aus dieser Reihe eine leicht veränderte Version eines anderen Geräts des jeweiligen Hardwarepartners, zeichnen sich Nexus 5X und Nexus 6P gleich durch eine ganze Reihe von Übereinstimmungen aus. Vom Fingerprintscanner über die Kamera bis zum neuen "Sensor Hub" und dem USB-Type-C-Anschluss sind es vor allem jene Komponenten, mit denen Google die weitere Richtung für die weitere Android-Welt vorgeben will. Insofern gilt vieles, was folgt, logischerweise auch für beide Geräte.

Nexus 6P (oben) und Nexus 5X: die beiden neuen Smartphones von Google.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Nexus-5X-Ersteindruck

Doch zuerst zu den Dingen, die die beiden trennen: An Haptik und Verarbeitung des Nexus 5X gibt es wenig auszusetzen. Wie schon beim Nexus 5 setzen Google und Partner LG hier auf ein Kunsttoffäußeres. Es mag Materialien geben, die mehr Prestige in der Smartphone-Welt genießen, das Nexus 5X liegt dadurch aber angenehm und stabil in der Hand. Wie bereits beim indirekten Vorgänger fühlt sich die Oberfläche auch hier leicht gummiert an.

Kritik

Zwei kleine Kritikpunkte müssen allerdings auch angemerkt werden: Am seitlichen Rahmen ist eine merkliche Spalte zu erkennen, das könnte mit der Zeit ein Schmutzmagnet werden. Und die Knöpfe hinterlassen zwar an sich einen guten Eindruck, könnten aber noch stärker vom Gehäuse abgehoben sein.

An Bildschirm und Verarbeitung des Nexus 5X gibt es wenig auszusetzen.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Vergleiche

Obwohl der Bildschirm von 4,95 auf 5,2 Zoll gewachsen ist, wirkt das 5X übrigens kaum größer als ein Nexus 5. Das hat das neue Smartphone vor allem dem Umstand zu verdanken, dass es im direkten Vergleich gerade einmal 3 Millimeter breiter ist.

Bildschirm

Das LCD-IPS-Display des 5X gefällt ebenso: Es ist sehr hell, die Farben scheinen auf den ersten Blick gut kalibriert. Für das von manchen so gerne betriebene Spezfikationslisten-Quartett mag der Umstand, dass Google hier "nur" auf ein 1080p-Display setzt, ein echter Verlust sein. Im Alltag spielt das allerdings keine Rolle, das Schriftbild ist gestochen scharf.

Das Nexus 5X im direkten Vergleich mit seinem indirekten Vorgänger, dem Nexus 5 (links).
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Nexus 6P, eine Überraschung

Schwenken wir zum Nexus 6P, und zwar gleich mit einem echten Highlight: Dessen Verarbeitung ist wirklich hervorragend, das Unibody-Aluminium-Gehäuse liegt äußerst gut in der Hand. Vorausgesetzt natürlich, dass man mit der Größe von 5,7 Zoll leben kann. Allen, denen das letztjährige Nexus 6 zu voluminös war, sei allerdings gesagt, dass das 6P merklich schmaler und damit leichter zu halten ist.

Premium

Die Knöpfe des Nexus 6P sind ebenfalls sehr gut verarbeitet, mit dem aufgerauten Power-Button erinnern diese etwas an das Nexus 6. In Summe hat Hardwarepartner Huawei wirklich ganze Arbeit geleistet, um ein Gerät abzuliefern, das schon rein äußerlich einen Premium-Eindruck vermittelt.

Dieser schwarze Balken

Als die ersten Bilder des Nexus 6P auftauchten, sorgte vor allem ein Detail für erhitzte Diskussionen: der schwarze Balken am oberen Ende, der etwas höher als der Rest des Gehäuses ist. Schon nach kurzem Ausprobieren wird allerdings klar: Die Aufregung war umsonst, der Höhenunterschied ist bei weitem nicht so stark, wie es in früheren Leaks den Eindruck gemacht hatte. Genau genommen ist er eigentlich kaum wahrnehmbar.

Der schwarze Balken des Nexus 6P ist nur geringfügig höher als das restliche Gehäuse.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Offene Fragen

Angesichts dessen, wie gering der Unterschied ist, stellt sich allerdings natürlich auch die Frage, warum man dann nicht gleich noch etwas mehr Akku hineingepackt und dem Ganzen ein plane Rückseite verpasst hat. Ist doch das Nexus 6P mit 7,3 Millimeter ohnehin ein sehr dünnes Smartphone. Aber gut, viel wäre hier ohnehin nicht herauszuholen gewesen.

Spurensuche

Am Rande sei angemerkt, dass Google mittlerweile verraten hat, wozu dieser schwarze Balken dient: Nicht die Kameraoptik ist der primäre Grund, die von einer Glasplatte bedeckten Öffnung soll vielmehr NFC und anderen Antennen eine Art Kommunikationsfenster eröffnen.

AMOLED

Für das Nexus 6P haben Google und Huawei zu einem QHD-Amoled-Bildschirm gegriffen. Dieser kann sich zwar durchaus sehen lassen, mit den aktuellen Panels von Samsung (S6, Note 5) kann Google aber weiterhin nicht ganz mithalten. Die Farben wirken im Vergleich noch immer etwas zu stark.

Fingerabdruckscanner

Kommen wir zu jenen Dingen, die für beide gleichermaßen gelten: Wie Motorola nachträglich ausgeplaudert hat, hätte eigentlich schon das Nexus 6 mit einem Fingerabdruckscanner ausgestattet sein sollen. Doch da man mit der Qualität der zur Verfügung stehenden Hardware nicht zufrieden war, habe man sich schlussendlich noch dagegen entschieden.

Unter der Kamera ist beim Nexus 5X der Fingerabdruckscanner angebracht.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Imprint

Nun ist es aber so weit: So wohl das Nexus 5X als auch das 6P ziert auf der Rückseite der sogenannte Nexus Imprint. Und im Test zeigt sich, dass Google bei der Vorstellung der Geräte nicht zu viel versprochen hat: Der Fingerprintreader ist äußerst flink, kurz berührt, und schon ist das Gerät entsperrt und der Home Screen aktiv. Die Position auf der Rückseite mag für einige gewöhnungsbedürftig sein, erwies sich mit dem Zeigefinger aber als sehr einfach zu erreichen. Auch das Abspeichern des Fingerabdrucks war schnell erledigt, fünf- bis sechsmal den Finger auf den Scanner gedrückt, und das war es auch schon.

Kamera

Viel Wind macht Google – für viele überraschend – in seiner Präsentation rund um die neue Kamera. Gerade bei schlechten Lichtverhältnissen solle diese dank der ungewöhnlich großen Pixel am Sensor bessere Ergebnisse liefern als die Konkurrenz. Der Unterschied sei so stark, dass es keinen Sinn mehr mache, eine optische Bildstabilisierung zu verbauen. Im zeitlich und räumlich eng begrenzten Rahmen einer solchen Veranstaltung lassen sich solche Behauptungen natürlich nur schwer aussagekräftig überprüfen. Und doch fielen selbst beim kurzen Ausprobieren ein paar interessante Punkte auf.

Vergleiche

Im direkten Vergleich zu den Bildern eines Nexus 6 waren die Low-Light-Aufnahmen des 6P in jeder Hinsicht wesentlich besser, sowohl was Dynamik als auch Rauschen angeht. Allerdings war auch unübersehbar, dass die Kamera zumindest in diesem Setting nicht gar so flink war, wie es Google zuvor dargestellt hatte. Der mittlerweile automatisch aktivierte HDR-Modus braucht bei Low-Light-Aufnahme noch immer etwas, was Schnappschüsse schwieriger macht. Da sind Samsung und LG mit ihren Kameras flotter. Bleibt abzuwarten, ob dieser Schwachpunkt auch für Tageslichtaufnahmen gilt – dieses Setting konnte bislang nicht getestet werden.

Die Kamera hinterlässt einen recht positiven Ersteindruck.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Besser, aber

In Summe lässt sich der subjektive Ersteindruck der Kamera als vorsichtig positiv beschreiben. "Vorsichtig", weil es noch einige offene Fragen gibt. Denn selbst wenn die Low-Light-Performance auch ohne OIS passen sollte, bleibt noch immer dessen stabilisierend Rolle auf Video-Aufnahmen – die hier wegfällt. Bis wir selbst mehr Zeit mit der Kamera verbringen können, sei allerdings schon mal auf den Test von DXOMark verwiesen, wo das Nexus 6P derzeit Platz zwei unter allen Smartphones einnimmt. Und zwar nicht zuletzt wegen der "derzeit mit Abstand besten Detailtreue in Low-Light-Situationen".

Smart Burst

Was an der zugehörigen Software sehr gut gefallen hat, ist der Smart Burst-Modus, der derzeit exklusiv beim Nexus 6P mit dabei ist: Mit einem Langdruck auf den Kameraknopf werden Aufnahmen in schneller Abfolge getätigt, woraus umgehend – und zwar wirklich umgehend – ein animiertes GIF erstellt wird. Alternativ kann die Software automatisch das beste Bild aus solch einer Serie heraussuchen. Noch ein weiterer Unterschied zwischen beiden Modellen: Das 6P kann Slow-Motion-Videos mit 240 Bildern pro Sekunde aufnehmen, das 5X "nur" mit 120.

Auch sonst wurde die Kamera-Software von Google einer rundweg begrüßenswerten Überarbeitung unterzogen. Der Wechsel zwischen Foto und Video erfolgt nun über einen simplen Swipe, der Start der App kann über Doppeldruck auf den Power-Button ausgelöst werden. Manuelle Kontrollen sucht man hingegen weiterhin vergeblich.

Performance

Zur Geschwindigkeit lässt sich sagen: Bei beiden Geräten gab es in dieser Hinsicht während des Ausprobierens nicht das Geringste auszusetzen. Ganz ehrlich muss man in diesem Bereich auch einfach einmal anerkennen, dass das von dem meisten aktuellen Smartphone-Prozessoren Gebotene für alle üblichen Nutzungsszenarien mehr als ausreichend ist – ob das jetzt ein Snapdragon 810 wie beim Nexus 6P oder "nur" der Snapdragon 808 des 5X ist.

Weniger Google-Apps

Im Rahmen der Produktvorstellung hat Google angekündigt, dass die neue Nexus-Generation die Zahl der vorinstallierten Apps reduzieren soll. Und auch wenn auf den Testgeräten noch eine Vorabversion von Android 6.0 zu finden war, zeigt diese doch bereits, wohin die Reise gehen könnte. Sowohl Google Keep als auch Google+, Google Earth und Play Books waren nicht von Haus aus installiert. Des Weiteren soll ein Teil der vorinstallierten Apps nun vollständig entfernbar sein. Beides uneingeschränkt positive Schritte, die viele Nutzer erfreuen dürften.

Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Fazit

Alles in allem wissen beide Geräte im Ersteindruck durchaus zu gefallen: Die Verarbeitung ist bei beiden sehr gut, wobei das Nexus 6P hier noch mal extra heraussticht. An Performance und Bildschirmen gibt es wenig auszusetzen, der Fingerabdruckscanner funktioniert bestens.

Die Preisfrage

All das wird allerdings durch einen entscheidenden Umstand getrübt: die Preispolitik von Google. Während es das Nexus 6P in den USA ab 499 Dollar gibt, muss man in Europa – und damit auch in Österreich – saftige 649 Euro berappen. Rechnet man den US-Preis in Euro um und zählt dann noch die Steuer dazu, kommt man derzeit auf etwas mehr als 530 Euro. Natürlich ist das eine vereinfachte Rechnung, trotzdem bleibt der Umstand, dass hier locker ein Aufschlag von 100 Euro verlangt wird. Warum dem so ist, konnte vor Ort kein einziger Google-Vertreter erklären, man wundere sich selbst, hieß es unter der Hand. Ähnlich sieht es übrigens beim Nexus 5X aus, das in den USA mit 379 Dollar beginnt und in Österreich bei 479 Euro.

Abwarten

Unterdessen gibt es ohnehin noch keinen offiziellen Termin für den Marktstart der beiden Geräte in Österreich. Huawei deutet allerdings einen lokalen Launch des Nexus 6P im November an, will sich aber nicht hundertprozentig festlegen. In einigen ausgewählten Ländern – darunter die USA und Großbritannien – können beide Geräte hingegen schon vorbestellt werden. Die dabei gelieferten Fristen weisen jedoch darauf hin, dass auch hier die Auslieferung erst zwischen Mitte und Ende Oktober erfolgen wird. (Andreas Proschofsky, 30.9.2015)