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Die afghanische Armee versucht die Stadt wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. NATO-Spezialkräfte sollen dabei helfen.

Foto: REUTERS/Stringer

Kunduz – Die Offensive der afghanischen Sicherheitskräfte gegen die Taliban in Kunduz kommt kaum voran. Zwar vertrieben sie nach eigenen Angaben die Islamisten in der Nacht auf Mittwoch aus dem Polizeihauptquartier der Stadt. Auch ein Angriff auf den Flughafen wurde nach einem Einsatz der US-Luftwaffe abgewehrt. Ein großer Teil des deutschen Ex-Bundeswehrstandortes blieb jedoch in der Hand der Taliban.

Ein Bezirksbürgermeister warf den etwa 5.000 Soldaten am Flughafen mangelnden Kampfeswillen vor. Der größte Erfolg der Islamisten in ihrem seit 14 Jahren anhaltenden Aufstand löste massive Kritik an Präsident Ashraf Ghani aus. Aufgebrachte Abgeordnete forderten seinen Rücktritt.

"Hunderte Taliban wurden getötet. Ihre Leichen liegen auf der Straße", sagte ein Sprecher der Polizei von Kunduz nach der Rückeroberung der Hauptwache. "In der Stadt toben heftige Kämpfe." US-Luftangriffe hätten dabei geholfen, den Vorstoß der Taliban gegen den Flughafen abzuwehren, verlautete aus afghanischen Sicherheitskreisen. Ein Sprecher der Islamisten räumte ein, die Erstürmung des Geländes sei in der Nacht gescheitert. "Wir konnten den Flughafen nicht erobern, dafür aber Teile der Umgebung." Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums erklärte über Twitter, bei den Kämpfen seien bisher 30 Menschen getötet worden, fast alles Zivilisten.

NATO-Soldaten in Kampf verwickelt

In die Kämpfe wurden nach Angaben der US-geführten Militärallianz auch NATO-Spezialkräfte verwickelt. Eine Gruppe von Beratern habe sich in der Nacht in der Nähe des Flughafens zur Selbstverteidigung ein Gefecht mit Aufständischen geliefert, sagte ein Sprecher. Zur Nationalität der Soldaten machte er keine Angaben. Aus afghanischen Sicherheitskreisen verlautete, etwa 100 schwerbewaffnete und mit Nachtsichtgeräten ausgerüstete US-Soldaten hätten einen drohenden Durchbruch der Taliban gestoppt.

Auf dem Gelände des Flughafens haben sich etwa 5.000 afghanische Soldaten verschanzt. Der Bürgermeister des Bezirks Khardara warf ihnen mangelnde Kampfbereitschaft vor. "Wir hätten genug Soldaten, um die Taliban anzugreifen, aber leider fehlt der Wille zum Kampf", sagte er. "Wir verteidigen uns nur." Hunderte afghanische Sicherheitskräfte, die zur Verstärkung kommen sollten, steckten in der Nachbarprovinz Baghlan fest, weil die Taliban Straßen mit Steinen und Sandsäcken blockiert hatten.

Kunduz war 2011 die letzte größere Stadt, die die Taliban nach ihrem Sturz durch US-geführte Streitkräfte verloren hatte. Dass der Ort so schnell von den Islamisten zurückerobert wurde, führte am Mittwoch im Kabuler Parlament zur Rücktrittsforderungen an die Regierung. "Es ist beschämend, wie sie mit der Lage in Kunduz umgegangen sind", erklärte ein Abgeordneter während einer turbulenten Sitzung, die direkt im Fernsehen übertragen wurde. (APA, 30.9.2015)