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Eine Luftaufnahme nach dem Unfall im Jahr 2011.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Budapest – Vor fünf Jahren hat sich in Ungarn die verheerende Rotschlamm-Katastrophe ereignet. Es war der 4. Oktober, als um 12.25 Uhr ein Deponiebecken der Aluminiumhütte MAL AG im westungarischen Ajka brach. Eine meterhohe, ätzende Giftschlammflut wälzte sich mit tödlichen Folgen über das Land, erreichte das kleine Dorf Kolontar und die Stadt Devecser. Zehn Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt.

200 verletzte Personen und 350 zerstörte Häuser lautete die Bilanz. Der Schlamm verseuchte Flüsse und den Boden auf einem Gebiet in der Größe von 40 Quadratkilometern. Rettungskräfte aus Ungarn und dem Ausland standen im Zuge der Aufräumarbeiten wochenlang im blutroten, giftigen Schlamm.

Folgen optisch beseitigt

Heute, fünf Jahre nach der Katastrophe, bei der rund eine Million Kubikmeter des hochgiftigen, gesundheitsschädigenden Rotschlamms eine Spur der Verwüstung hinterließen, sind deren Folgen optisch beseitigt. In Kolontar und Devecser wurden neue Häuser auf sicheren Anhöhen errichtet, und alle Opfer des Desasters haben wieder ein Dach über dem Kopf.

Mit Hilfe aus Österreich wurde ein neuer Kindergarten in Devecser mit seinen rund 4.500 Einwohnern gebaut. Dennoch seien die psychischen Folgen der Katastrophe noch lange nicht überwunden, erklärte der damalige Bürgermeister der Stadt, Tamas Toldi, gegenüber der APA. Das "rote Gift" habe sich tief in die Seelen der Menschen eingebrannt. "Diese Wunden brauchen viel Zeit, um zu heilen."

90 neue Häuser gebaut

Rund acht Prozent der Bürger von Devecser sind nach der Katastrophe weggezogen, obwohl 90 neue Häuser gebaut wurden. "Sie konnten das Trauma der Ereignisse nicht verarbeiten." In Devecser gebe es inzwischen auch eine Gedenkstätte, erinnerte der Ex-Bürgermeister. Im Gebäude der alten Post sei ein kleines Museum eingerichtet worden, das mit Fotos und Gegenständen an die Tragödie erinnern soll. Dass sich Medien in Ungarn kaum mit dem fünften Jahrestag der Rotschlamm-Katastrophe beschäftigen, erklärte Toldi mit der derzeitigen Flüchtlingskrise in Ungarn.

Prozess gegen Aluminiumfabrik

Während aus giftigem Schlamm giftiger Staub wurde, begannen die Prozesse der Geschädigten gegen die Aluminiumfabrik MAL AG. Rund 130 Personen waren meist wegen schwerer körperlicher, aber auch seelischer Folgen vor Gericht gegangen, um Schadenersatz zu fordern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Letzteres scheint nahezu aussichtslos, da das zuständige Gericht jüngst die Anklagepunkte modifizierte: Die Katastrophe hätte nicht vorausgesehen werden können und sei nicht auf menschliches Versagen zurückzuführen. Toldi erklärte resigniert, dass auch fünf Jahre nach der Katastrophe noch viele Urteile ausstehen. Teilerfolge seien zwar erzielt worden, doch alles gehe sehr schleppend voran.

Laut Toldi hätten die Bewohner der Gegend heute dennoch kaum Angst vor einem neuen Dammbruch, denn inzwischen wurde ein Schutzsystem errichtet, ebenso eine Sicherheitszone mit einer Fläche von 20 Hektar. Industriepflanzen wurden auf dem verseuchten Boden angebaut, um die Umwelt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

In dem kleinen Dorf Kolontar plant Bürgermeister Karoly Tili das Gedenken an den fünften Jahrestag der Tragödie. In seiner 750-Seelen-Gemeinde sei Ruhe eingekehrt. Die Opfer der Rotschlamm-Katastrophe hätten 21 neue Häuser erhalten. "Leider können viele Betroffene die neuen Häuser noch immer nicht als ihr Zuhause akzeptieren. Das ist traurig, denn es wurden sehr schöne Häuser gebaut", sagte Tili der APA.

Kinder kommen gesund zur Welt

Aus Kolontar seien inzwischen aber keine Bürger mehr weggezogen. Die Zahl der Bevölkerung hätte sich vielmehr erhöht, da in den vergangenen zwei Jahren besonders viele Geburten verzeichnet wurden – und alle Babys seien gesund. "Das zeigt doch, dass unser Dorf eine Zukunft hat", betonte Tili. Seine Einwohner würden in ihren Gärten und auf ihren Feldern wieder Obst, Gemüse und Futterpflanzen anbauen. Dagegen hat auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace nichts einzuwenden.

Die aktuellen Messwerte seien im grünen Bereich, erklärte der Greenpeace-Experte Gergely Simon der APA gegenüber. "Das Gebiet wurde gesäubert, der Boden ausgetauscht." Dafür habe die Regierung 40 Milliarden Forint (130 Millionen Euro) öffentliche Gelder ausgegeben, was inakzeptabel sei. Es müsse rechtlich geregelt werden, dass solche Ausgaben nicht dem Steuerzahler, sondern dem Schadensverursacher aufgebürdet werden.

Die zuständigen Behörden, denen Simon ein schwaches Auftreten attestierte, müssten Gesetze und vorhandene EU-Normen viel strenger durchsetzen. Für die Notwendigkeit dessen seien alleine die Giftkatastrophe von Kolontar und Devecser und deren verheerende, tödliche Folgen ein Beweis. (APA, 30.9.2015)