Wien – Einerseits Frau, andererseits Künstlerin – ein Widerspruch, der im Jahr 2015 eigentlich keiner mehr sein sollte. Doch genau diese Annahme hinterfragt die französische Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster (geboren 1956 in Straßburg) in der 18. künstlerischen Bespielung des Eisernen Vorhangs der Wiener Staatsoper, die am Mittwoch präsentiert wurde.

Ab sofort erwartet das Publikum der Staatsoper auf 176 Quadratmetern Gonzalez-Foersters Reenactment eines Fotos, erschienen im Jahr 1957 im "Life"-Magazin, das die Künstlerin Helen Frankenthaler in ihrem Atelier zeigte. Eine junge Frau inmitten ihrer großformatigen Werke, gekleidet in einen biederen weißen Rock und eine rosa Bluse.

Helen Frankenthaler (1928–2011) vereinte als Malerin ein Leinwandkonzept, das sie sowohl als formalisiertes Feld wie auch als Arena für gestisches Zeichnen auffasste. Sie genoss hohes Ansehen unter den amerikanischen abstrakten Malern der zweiten Nachkriegsgeneration und gilt als Schlüsselfigur im Übergang vom abstrakten Expressionismus zur Farbfeldmalerei.

Erschienen ist das Originalfoto damals im "Life"-Magazin im Rahmen eines Farbfotoessays über eine neue Generation von Künstlerinnen, fotografiert wurde es von Gordon Parks, dem ersten schwarzen Fotoreporter des Magazins. Gonzalez-Foersters Werk nennt sich ganz im Sinne dieser Konstellation "Helen & Gordon". (Anmerkung: Dass sich die Reinszenierung auf das Foto im Life-Magazin bezieht, ist allerdings falsch. Tatsächlich wird ein anderes Foto aus demselben Shooting re-enacted. siehe: Gordon Parks bei Getty Images.)

Foto: museum in progress/www.mip.at

"Es ist eine Freude, dass man ein Kunstwerk so vielen Leuten zeigen darf", freute sich Staatsoperndirektor Dominique Meyer angesichts der 500.000 Menschen, die das Werk bis Ende Juni 2016 vor und nach den Vorstellungen sowie in der Pause zu sehen bekommen werden.

Kathrin Messner von "museum in progress", auf dessen Initiative der Eiserne Vorhang nunmehr zum 18. Mal künstlerisch bespielt wird, erinnerte daran, dass die Aktion anfänglich auf viele Widerstände gestoßen, mittlerweile aber zur Tradition geworden sei. Mit Gonzalez-Foerster habe man diesmal "eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit" gewinnen können. Große Einzelausstellungen widmeten ihr u.a. das Guggenheim Museum, die Tate Modern oder die Kunsthalle Zürich. Bis zum 1. Februar 2016 zeigt das Pariser Centre Pompidou die Schau "Dominique Gonzalez-Foerster, 1887-2058".

Die Künstlerin sagte bei der Präsentation, sie habe in letzter Zeit begonnen, sich darüber Gedanken zu machen, "was die Oper im 21. Jahrhundert leisten kann". Und so schlägt sie einen Bogen zur Künstlerin im 21. Jahrhundert und der Frage nach dem Ausstellen von Kunst und der Ausstellung der Frau.

Foto: museum in progress/www.mip.at

Begleitend zur Neugestaltung des Eisernen Vorhangs ist auch eine 20 Exemplare umfassende Edition des Kunstwerks im Format 29 mal 32,2 cm entstanden, die inklusive Rahmen um 2.800 Euro erworben werden kann. Durch den Erwerb der Drucke soll ein Beitrag zur Fortsetzung der Ausstellungsreihe geleistet werden, die in diesem Jahr von der Helen Frankenthaler Foundation unterstützt wurde.

Der originale Eiserne Vorhang stammt von Rudolf Eisenmenger (1902-1994), der wegen seiner Leitungstätigkeit im Wiener Künstlerhaus zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft umstritten ist. Seit der Saison 1998/99 wird sein Eiserner Vorhang, den er 1955 zum "Orpheus und Eurydike"-Motiv geschaffen hat, in Kooperation mit "museum in progress" alljährlich mit einem zeitgenössischen Kunstwerk überdeckt, das mittels Magneten auf dem 60 Tonnen schweren Feuerschutz befestigt wird.

Das Spektrum der Bespielung reichte dabei von Kara Walkers Scherenschnittsymbolik "Schattenwelt und Exorzismus" (1998/1999) über Richard Hamiltons Zuschauerraumdopplung "Verzögerung in Eisen" (2001/2002), Maria Lassnigs ironischem "Frühstück mit Ohr" (2005/2006) bis zu David Hockneys iPad-Bild 2012/13, Oswald Oberhubers Ornament mit zahlreichen Komponistennamen 2013/14 und zuletzt Joan Jonas' labyrinthischer Endlosschleife im Vorjahr. (APA, kafe, 30.9.2015)