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Nadine Morano mit Sarkozy-Sticker im Wahlkampf, Nizza, September 2014

Foto: REUTERS/Eric Gaillard

In Frankreich träumt nicht nur der rechtsextreme Front National von einer ethnisch reinen Nation. Die ehemalige Ministerin für Berufsbildung, Nadine Morano, erklärte am vergangenen Wochenende in einer Fernsehsendung, sie habe "keine Lust", dass Frankreich muslimisch werde, denn es sei "schließlich ein jüdisch-christliches Land weißer Rasse". Obwohl sich ein Sendungsteilnehmer gegen das Wort "Rasse" verwahrte, philosophierte die 51-jährige Vertreterin der großen konservativen Partei Les Républicains weiter über die "gelbe" Hautfarbe eines anwesenden Schauspielers aus Vietnam.

Sich bewusst, dass sie mit solchen Ausführungen anecken könnte, versteckte sich Morano hinter angeblichen Aussagen von Charles de Gaulle. Der Ex-Staatschef soll gemäß den Notizen seines Mitstreiters Alain Peyrefitte 1959 erklärt haben, die Franzosen seien "vor allem ein europäisches Volk weißer Rasse". Das geschah aber nicht öffentlich – und vor mehr als einem halben Jahrhundert, als noch andere sprachliche Usancen galten und in den USA noch über rassengetrenntes Busfahren debattiert wurde.

Moranos Parteifreund und Präsidentschaftskandidat Alain Juppé erinnerte ferner daran, de Gaulles Aussagen mitten im Algerienkrieg hätten der Frage gegolten, ob Frankreich bis zu 15 Millionen Algerier aufnehmen könne. Moranos Sprüche bezeichnete er als "inakzeptabel".

Sarkozy schweigt

Das Auffälligste an der Affäre war das tagelange Schweigen ihrer Partei. Ein Sprecher bezeichnete Moranos Aussagen zuerst zurückhaltend als "Fehler", doch Parteichef Nicolas Sarkozy wollte sich dazu nicht äußern. Sein Vertrauter Brice Hortefeux begründete das damit, man wolle der Affäre keine Nahrung geben. Im Dezember finden in Frankreich Regionalwahlen statt, und die konservativ-gaullistischen Republikaner können angesichts der Schwäche der regierenden Sozialisten François Hollandes mit Stimmengewinnen rechnen. Angesichts des europäischen Flüchtlingsstroms setzt aber auch der rechtsextreme Front National auf einen neuen Erfolg bei diesem letzten Stimmungstest vor der Präsidentenwahl 2017.

Beide Wahlgänge dürften sich somit auf der Rechten entscheiden – genau gesagt an der Trennlinie zwischen Front National und Republikanern. Sarkozy lehnt zwar jede Absprache mit Front-National-Kandidaten auch für den zweiten Wahlgang ab. Die ideologischen Grenzen zerfließen aber mehr und mehr, wie der Fall Morano zeigt. Während der rechte Republikaner-Flügel um Sarkozy Front-National-Wähler anziehen will, verlangten liberale Stimmen wie Ex-Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, dass die "scheußlichen" Rassenaussagen Moranos sanktioniert werden.

Rücktrittsforderungen

Sarkozy wollte seine schon immer beißfreudige Ex-Ministerin aus wahltaktischen Gründen nicht zurückpfeifen. Doch die Affäre bedrohte zunehmend die Einheit der bürgerlichen Wahllisten in der neuen Wahlregion aus Elsass, Lothringen, Champagne und Ardennen. Jean-Christophe Lagarde, Vorsteher der zentrumsdemokratischen UDI, einer Koalitionspartnerin der Republikaner, verlangte den Rückzug Moranos von der gemeinsamen Wahlliste. Sogar Front-National-Chefin Marine Le Pen traue sich heute nicht mehr, Sprüche von sich zu geben, die von einer "Ku-Klux-Klan-Sprecherin" stammen könnten, meinte Lagarde.

Morano selbst erklärte am Mittwoch dem Radiosender Europe 1, sie halte "natürlich" an ihren Aussagen fest. Das war ein Fehler: Jetzt mussten die Republikaner reagieren. Die Partei gab noch am gleichen Tag bekannt, Morano werde nicht mehr auf der Regionalwahlliste in Ostfrankreich aufscheinen. Ihre Aussagen gäben weder die französische Realität noch die Werte der Partei wieder, hieß es in einer kurzen Mitteilung.

Nur Sarkozy schweigt sich zu der Affäre weiterhin aus. Zur Frage, ob das einstige Einwanderungsland Frankreich auch andere als reinrassige und katholische Menschen aufnehmen will, fällt dem Immigrantensohn offenbar nichts ein. (Stefan Brändle aus Paris, 30.9.2015)