Es hatte sich lange angedeutet und die Gerüchteküche wusste schließlich auch wieder vorab Bescheid: Blackberry, der einst als "Research in Motion" bekannte Smartphone-Pionier, baut ein Android-Smartphone. "Priv" heißt das Gerät, das Hersteller-typisch mit einer Tastatur daher kommt.

Dem Namen entsprechend soll es auch mit Privatsphäre-Funktionen punkten und auch mit starker Hardware Eindruck hinterlassen. Der WebStandard hatte die Gelegenheit zu einem Hands-on mit dem Android-Erstling des kanadischen Herstellers.

Hinweis

Eines vorweg: Beim getesteten Priv handelt es sich natürlich nicht um eine finale Version, sondern ein Vorserienmodell. Dementsprechend sind die Eindrücke auch mit Vorsicht zu genießen. Während die Hardware-Ausstattung feststehen dürfte, kann es softwareseitig sehr wohl noch zu größeren Änderungen und Optimierungen kommen. Am Markt landen wird das Handy voraussichtlich erst im Frühjahr 2016.

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Foto: derStandard.at/Pichler
Foto: derStandard.at/Pichler

Spezifikationen

Mit 5,4 Zoll Diagonale gibt Blackberry die Größe des Displays an. Der Bildschirm ist seitlich etwas gebogen, wenngleich längst nicht so auffallend wie bei Galaxy Edge-Geräten von Samsung. Es handelt sich um ein Panel mit "2K"-Auflösung (2.560 x 1.440 Pixel). Die enorm hohe Pixeldichte (544 PPI) macht sich allerdings höchstens bei VR-Experimenten bemerkbar, im Alltag lässt sie sich mit bloßem Auge nicht von Full HD unterscheiden, dem aktuellen Standard für die meisten Highend-Geräte.

Das Android 5.1-System wird befeuert von einem Snapdragon 808, den man beispielsweise im LG G4 finden kann. Dazu gibt es drei GB RAM, 32 GB Speicher (ca. 22 GB stehen nach der Einrichtung zur Verfügung) sowie einen microSD-Slot. Moderne Standards wie LTE, Bluetooth 4.1 und NFC werden unterstützt. Der microUSB-Anschluss fürs Aufladen und die Datenübertragung läuft allerdings nur nach USB 2.0-Spezifikation.

Bei den Kameras setzt Blackberry auf ein 18-MP-Hauptmodul mit Schneider-Kreuznach-Objektiv auf der Rückseite, ergänzt wird es mit einem Dualtone-Blitz. Fünf Megapixel liefert die Frontkamera

Foto: derStandard.at/Pichler

Zweihänder

Das Blackberry Priv ist alleine durch die Displaydiagonale bereits ein recht großes Gerät, das sich nicht mehr für einhändige Bedienung eignet. Weil das "Kinn" des Handys auch noch relativ üppig ausfällt, sind trotz Onscreen-Navigationstasten die meisten Interaktionen beidhändig auszuführen. Die Rückseite des Handys dürfte ein Kevlargemisch sein, fühlt sich aber zumindest beim Vorserienmodell sehr gummihaft an. Das vermittelt nicht unbedingt große Wertigkeit, sorgt aber für sehr guten Halt.

Die Tastatur ist über einen Slidermechanismus integriert und lässt sich auf der Unterseite des Smartphones ausfahren. Die Verarbeitung ist absolut solide, wenngleich der leichte Spalt zwischen Tastatur und restlichem Gehäuse sich als Schmutz-Sammelstelle herausstellt. Die Befestigung macht grundsätzlich den Eindruck, auch langfristig gut zu halten.

Der Bildschirm spielt dank satter Farben und Kontraste durchaus in der gleichen Liga wie aktuelle Spitzengeräte von LG und Co. Der Kantenkrümmung will Blackberry offenbar zusätzlichen Nutzen abtrotzden. Vorgesehen ist etwa eine Einstellung, um auf ihnen den Akkuladestand einblenden zu können, was bei der Probe aber noch nicht funktioniert hat.

Foto: derStandard.at/Pichler

Die Einschalttaste hat Blackberry am linken Gehäuserand platziert. Er ist bei normaler Handhaltung nur etwas mühevoll zu erreichen. Rechts finden sich zwei Buttons zur Lautstärkeänderung sowie ein kleiner Knopf dazwischen. Aktuell scheint dieser nur die Benachrichtigungsleiste aufzurufen, auch in der Kamera-App. Ob weitere Funktionalitäten folgen, bleibt abzuwarten.

Flott, aber mit Hängern

Der Antutu-Allroundbenchmark zeigt das Potenzial der Hardware, lässt aber noch deutlich Spielraum für Verbesserungen. Mit rund 46.000 Zählern liegt das Priv hier knapp vor dem HTC M8 und dem OnePlus One aus 2014. In der Praxis funktioniert auch alles meistens flüssig. Gelegentlich schleichen sich jedoch merkbare Hänger und Lags ein, was man aktuell aber noch dem Entwicklungsstand zuschreiben darf. Bis zum Launch sollte Blackberry dies allerdings in den Griff bekommen.

Die Systemoberfläche selbst ist weitestgehend im "puren" Look von Android belassen. Auf den ersten Blick fällt nur eine zusätzliche Navigationstaste zum Aufruf der Keyboardwahl auf. Diese bietet derzeit aber nur Mehrwert, wenn man zwischen verschiedenen Touch-Eingabemethoden umschalten möchte. Das Priv erkennt nämlich zuverlässig, wenn die Hardware-Tastatur ausgefahren wird.

Foto: derStandard.at/Pichler

Keyboard

Das Keyboard selbst ist ein zweischneidiges Schwert. Die Tasten sind aufgrund ihrer schuppenartigen Anordnung gut erfühlbar. Da sie jedoch schon bei recht schwacher Berührung triggern und noch dazu sehr klein sind, dürfte es eine gute Weile dauern, bis man als geübter Touchscreen-Nutzer damit wirklich schneller schreibt.

Das Testhandy brachte eine Tastatur im QWERTY-Layout mit ,das gängigerweise im anglo-amerikanischen Raum zum Einsatz kommt. Es ist anzunehmen, dass Blackberry in Zukunft auch andere Sprachregionen abdeckt, je nachdem welche Märkte man erschließen wird.

Apps

Bei der Einrichtung des Gerätes kann das Priv Nutzerdaten von iPhones, anderen Android-Geräten sowie Handys mit Blackberry OS ab 5.0 beziehen. Vorinstalliert sind außerdem eine Reihe eigener Apps des kanadischen Herstellers, darunter der Blackberry Messenger. Für verschlüsselte Kommunikation Das Sicherheitsversprechen soll auch von "Safeguard" erfüllt werden. Die App bietet eine Übersicht über alle in diesem Aspekt relevanten Systemeinstellungen und zeigt eine Gesamtwertung auf einer dreistufigen Wertungsskala an.

Neben den Android-Standardapps liefert das Priv auch einen guten Teil der Google-Suite mit, etwa Gmail, den Chrome-Browser, Play Music und selbstverständlich auch den Play Store. Parallel dazu – jedenfalls derzeit – gibt es aber auch Eigenkreationen von Blackberry, etwa für den Kontaktmanager. Die Default-Tastatur von Android hat man komplett entsorgt und mit einem Eigenbau ersetzt. Dieser entspricht Blackberry zwar mehr in Sachen Ästhetik, beherrscht aber so manches nützliches Feature wie etwa die Swipe-Eingabe nicht.

Foto: derStandard.at/Pichler

Kamera, Audio, Empfang

Einen guten, allerdings nicht überwältigenden Eindruck gibt die Kamera ab. Unter Echtlicht löst sie schnell aus. Die Farbgebung ist realistisch, allerdings geraten die Aufnahmen subjektiv eine Spur zu dunkel. Positiv anzumerken ist allerdings, dass auch feinere Details gut abgebildet werden. Weniger erfreulich ist, dass die Auslösezeit unter Kunstlicht trotz optischer Bildstabilisierung spürbar länger wird – was sich entsprechend auf die Qualität des Ergebnisses niederschlägt. Durchschnittliche Fotos produziert die Frontkamera.

Passabel erwies sich die Audioqualität des Gerätes hinsichtlich Telefonie und Lautsprecher. Keinen Grund zur Kritik gab außerdem der WLAN- und GSM-Empfang. Aufgrund der kurzen Hands-on-Zeit lassen sich nur vage Aussagen zur Akkulaufzeit machen. Trotz intensiver Verwendung und 75 Prozent Bildschirmhelligkeit sank der Ladestand in circa 2,5 Stunden von 100 nur auf rund 85 Prozent. Extrapoliert man diesen Wert und setzt ein realistisches Nutzungsverhalten voraus, sollte man problemlos bis in den Abend oder gar den nächsten Morgen kommen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Vorläufiges Fazit

Kann Blackberry mit Android-Handys wieder zu einem relevanten Player am Smartphone-Markt werden? Die vorläufige Antwort: Eher nicht. Die Rückkehr in die Masse ist mit Blackberry OS 10 (dessen Entwicklung fortgesetzt wird) bisher versagt geblieben. Das Priv dürfte bewusst auf ein bestimmtes Marktsegment abzielen.

Und dieses heißt: Business-Anwender. Zielpublikum sind Nutzer, die von der Tastatur profitieren und vielleicht schon im Blackberry-Universum unterwegs sind. Ihnen erschließt man nun mit einem Android-Handy eine große Fülle an weiteren Apps als Alternative zu Blackberrys eigenem, überschaubaren Store. Soll das Handy auch andere User überzeugen, wird man einen eher niedrigen Preispunkt wählen müssen. Dass dies geschieht, darf allerdings als unwahrscheinlich angenommen werden. (Georg Pichler, 11.10.2015)

Kamera-Testbilder

Outdoor, Echtlicht (Link zum Original)
Foto: derStandard.at/Pichler
Indoor, überwiegend Echtlicht
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Indoor, überwiegend Echtlicht (Link zum Original)
Foto: derStandard.at/Pichler
Indoor, Kunstlicht (Link zum Original)
Foto: derStandard.at/Pichler
Outdoor, Echtlicht – Frontkamera (Link zum Original)
Foto: derStandard.at/Pichler