Leipzig – Im Zuge der Klimawandeldiskussion werden die Ozeane der Erde primär als Abnehmer von überschüssiger Wärme und Kohlendioxid betrachtet. Die Weltmeere sind allerdings auch die Quelle verschiedener Gase und beeinflussen auch so das globale Klima. Eine Schlüsselrolle bei diesen Interaktionen zwischen Meerwasser und den Luftschichten nimmt ein hauchdünner Film an der Wasseroberfläche ein, der etwa 70 Prozent der Oberfläche des Planeten abdecken kann.
Der nur wenige Mikrometer dünne Oberflächenfilm, der sich vor allem bei geringem Seegang bildet, ist ein Sammelbecken verschiedenster organischer Substanzen wie Fett- und Aminosäuren, Proteine und Lipide sowie von Spurenmetallen, Staub und Mikroorganismen – alle zusammen bilden einen gewaltigen Filter. Der Oberflächenfilm filtert jedoch nicht nur, er ist offenbar auch aktiv an der Produktion von Gasen beteiligt, wie das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung berichtet.
Wettermacher Isopren
Deutsche und französische Forscher untersuchten für eine in "Environmental Science & Technology" veröffentlichte Studie das Ausmaß, in dem in den Ozeanen der ungesättigte Kohlenwasserstoff Isopren gebildet wird. In der Atmosphäre kommt diesem Gas große Bedeutung zu, da sich daraus nach der Reaktion mit OH-Radikalen und Ozon Partikel bilden, die die Keimzellen von Wolken werden können und so Temperatur und Niederschlag beeinflussen.
Bisher war angenommen worden, dass Isopren im Meerwasser vor allem durch biologische Prozesse aus Plankton entsteht – analog zu seiner bekannten Bildung durch Landpflanzen, insbesondere durch tropische Bäume. Die aktuelle Studie zeigte jedoch, dass Isopren auch ohne biologische Quellen im Oberflächenfilm der Ozeane durch Sonnenlicht gebildet werden könnte.
Feinarbeit mit dem Scheibenwischer
Für die Studie nutzte das Forscherteam Proben aus dem Nordatlantik. Im norwegischen Raunefjord bei Bergen wurde der Oberflächenfilm eingesammelt. Dazu wurde eine Glasplatte ins Wasser getaucht und anschließend wieder vorsichtig aus dem Wasser gezogen. Dabei blieb der 200 Mikrometer dünne Film am Glas haften und wurde anschließend mit einem Scheibenwischer abgekratzt.
Anschließend untersuchte das Team die photochemischen Eigenschaften, indem die Proben im Labor mit Licht bestrahlt und die entstehenden Gase analysiert wurden. Durch die Messungen zeigte sich, dass auch ohne Plankton Isopren entstand – und dies in Größenordnungen, die bisher ausschließlich dem Plankton zugeschrieben wurden.
Für die Forscher ist damit die große Diskrepanz zwischen Feldmessungen und Modellen der Isoprenproduktion geklärt. So deuteten lokale Messungen auf eine globale Menge von etwa 0,3 Megatonnen Isopren pro Jahr hin, globale Simulationen dagegen auf rund 1,9 Megatonnen pro Jahr. Das deutsch-französische Team hingegen schätzt, dass der neu entdeckte photochemische Reaktionsweg allein für 0,2 bis 3,5 Megatonnen Isopren pro Jahr verantwortlich sein könnte. Diesen bislang unbekannten Reaktionsweg entdeckt zu haben, soll helfen, Klimamodelle zu verbessern. (red, 30. 9. 2015)