Die Luftangriffe, die russische Kampfjets seit Mittwoch in Syrien fliegen, richten sich nicht nur gegen die Jihadistengruppe "Islamischer Staat", gab der Kreml am Donnerstag bekannt. Man verfüge vielmehr über eine Liste "bekannter militanter Organisationen", die nun bombardiert würden.

Der regierungstreue syrische Fernsehsender Al-Mayadeen berichtete, dass Russland 30 Luftangriffe geflogen habe, die sich gegen die Rebellenallianz "Eroberungsarmee" gerichtet hätten, der der syrische Al-Kaida-Ableger Nusra-Front, aber nicht der IS angehört.

Kremsprecher Dmitri Peskow erklärte vor Journalisten, die Ziele würden in Zusammenarbeit mit den syrischen Streitkräften bestimmt. Die Koordination mit anderen Ländern funktioniere.

Die Außenminister der USA und Russlands hatten zuvor angekündigt, Militärexperten beider Länder sollten sich enger absprechen. So solle verhindert werden, dass die USA und Russland einander in Syrien versehentlich in die Quere kommen. Die USA und Frankreich fliegen auch Angriffe auf den IS in Syrien, die Türkei bombardiert hauptsächlich kurdische Rebellen.

Außerdem veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch Luftbilder und ein Video, die die Auswirkungen der Bombardements zeigen sollen.

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Russischer Luftangriff.
Foto: EPA/RUSSIAN DEFENCE MINISTRY PRESS SERVICE

Die "Washington Post" hat diese Luftbilder mit Satellitenaufnahmen verglichen und meldet, dass sich das Ziel in den südlichen Vorstädten der westsyrischen Stadt Lataminah befindet.

Auch am Donnerstag flogen laut russischen Angaben Su-24M- und SU-25-Kampfjets Angriffe in Syrien. Ziele waren laut Kreml ein Munitionsdepot bei Idlib und ein dreistöckiges Kommandozentrum des IS in der Nähe der Stadt Hama. Außerdem sei es gelungen, mit einem "Präzisionsschlag" eine nördlich von Homs gelegene Anlage, in der Autobomben hergestellt wurden, zu zerstören.

CIA-ausgebildete Rebellen bombardiert

Der Kommandeur der Rebellengruppe Liwa Sukur al-Dschabal, Hassan Hadsch Ali, sagte Reuters, ihr Lager in der Idlib-Provinz sei bei zwei russischen Angriffen von rund 20 Raketen getroffen worden. Dabei habe es Verwundete gegeben. Damit berichteten bereits drei Gruppe, die zur Freien Syrischen Armee zählen, von russischen Luftangriffen. Die CIA unterstützt die Rebellen-Kämpfer, die sie teils in Katar ausgebildet hat.

Der Rebellenkommandeur Bashar al-Subi sagte der Nachrichtenagentur Reuters, durch das russische Eingreifen werde der Konflikt zu einem globalen Krieg gegen das syrische Volk. Das werde auch zu einer Ausweitung des Extremismus führen.

Laut der russischen Nachrichtenseite "Sputnik News" haben die kurdischen Rebellen hingegen die russischen Luftschläge begrüßt. "Wir wollen, dass uns Russland mit Luftunterstützung und Waffenlieferungen unterstützt, zitiert das Medium YPG-Kommandant Sipan Hemo, "wir können eine effektive Zusammenarbeit mit Russland organisieren. Sie sollten nicht nur die IS, sondern auch die Nusra-Front angreifen, weil es keinen großen Unterschied zwischen den beiden Gruppierungen gibt."

Laut BBC hat Russland insgesamt 34 Kampfflugzeuge nach Syrien verlegt. Die Typen SU-25 und SU-24M2 stammen noch aus Sowjetzeiten, die SU-30SM und SU-34 sind moderner. Letzteres Modell wird erstmals in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt, wobei nicht klar ist, ob sich die Maschinen an Kampfhandlungen beteiligen oder lediglich erprobt werden.

Protest aus Saudi-Arabien

Saudi-Arabien äußerte sich besorgt über den Eintritt Russlands in den Syrien-Krieg. Die Luftangriffe rund um Homs und Hama hätten Regionen getroffen, in denen der IS gar nicht präsent sei, sagte der saudische UN-Botschafter Abdallah al-Muallimi. Zahlreiche unschuldige Menschen seien ums Leben gekommen, erklärte er dem Staatsfernsehen zufolge. Die Einsätze müssten eingestellt und nicht wieder aufgenommen werden.

Unterdessen forderte China eine politische Lösung des Konflikts. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht tatenlos zusehen, sagte Außenminister Wang Yi bei der Syrien-Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats nach Angaben seines Ministeriums vom Donnerstag. Sie "sollte sich aber auch nicht willkürlich einmischen".

Seinem syrischen Kollegen Walid al-Muallem habe Wang erklärt, die Weltgemeinschaft müsse die Souveränität Syriens respektieren. China hält sich in der Nahostpolitik trotz seiner Abhängigkeit von Öllieferungen aus der Region weitgehend zurück. Im UN-Sicherheitsrat hat sich China bisher zumeist der Position Russlands angeschlossen.

Berichte über iranische Truppenverlegungen

Der Iran begrüßte Russlands Einsatz und sagte Unterstützung zu. "Das ist ein erster praktischer Schritt im Kampf gegen den IS, um eine Lösung zu ermöglichen", sagte Außenamtssprecherin Marziyeh Afkham in Teheran.

Iran hat nach libanesischen Angaben hunderte Kämpfer nach Syrien entsandt, die sich an einer Bodenoffensive in Rebellengebieten im Norden des Landes beteiligen sollen. Die Truppen seien vor zehn Tagen mit Waffen in Syrien eingetroffen, sagten mehrere in den Vorgang eingeweihte Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag.

"Die Vorhut der iranischen Bodentruppen ist in Syrien eingetroffen: Soldaten und Offiziere, die an den Kämpfen teilnehmen sollen", sagten die Insider. Es handele sich um Hunderte Bewaffnete, denen weitere folgen sollten. Bisher hatte der Iran Assad vor allem mit Gerät und Beratern unterstützt. Hinzu kamen schiitische Kämpfer, darunter Iraker und Afghanen.

Die libanesische Hisbollah-Miliz bereite sich ebenfalls darauf vor, an der Bodenoffensive mit der syrischen Armee teilzunehmen. Die russische Luftwaffe werde den Einsatz mit Luftangriffen unterstützen. Ziel sei es, von den Rebellen gehaltene Gebiete zurückzuerobern. (red, Reuters, 1.10.2015)