"Ein tarockes Stück" (1953) von H. C. Artmann ist Teil des Theaterminiaturabends "Der Mond täuscht einen Abend vor" im Kabinetttheater (mit weiteren Texten von Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Friedrich Achleitner).

Foto: Kabinetttheater

Wien – "Eine alte Frau lehnte sich aus übergroßer Neugierde zu weit aus dem Fenster, fiel und zerschellte", heißt es in Daniil Charms seltsamer Geschichte Die neugierigen alten Frauen. Nimmt sich das Kabinetttheater dieser denkwürdigen Szene an, so muss das Porzellan einer geschmackvoll geschwungenen Teetasse mit ihrem Nasenhenkel dran glauben. Und alles ist gesagt.

Die Realität trägt im Kabinetttheater viele Gesichter. Das 1989 in Graz von Julia Reichert und Christopher Widauer gegründete Figuren-, Objekt- und Puppentheater – seit vielen Jahren schon in Wien beheimatet – feiert derzeit sein 25-jähriges Bestehen. Mit einer Festvorstellung am Sonntag wird der Geburtstag begangen. Und weil die Nachfrage nach den Porzellangassen-Kleinodien bekanntlich groß ist, wird gleich die ganze darauffolgende Woche damit weitergemacht (Termine am 5., 6., 7. und 9. Oktober, jeweils 20 Uhr).

Unter den elf gezeigten Minidramen mit so fabelhaften Titeln wie Herzschlagfinale (von Thomas Arzt), Die Abschaffung des Opportunismus durch Mehrheitsentscheidung (Anne Frütel) oder Antonio Fians Alpenländisches Interview befinden sich auch zwei Uraufführungen: Julia Reicherts Ein ganzes Leben und Fians Bewerbungsgespräch.

Anlässlich des Jubiläums erscheint der Band Kabinetttheater en plus 2005-2015, der anschließt an Niemand stirbt besser. Theaterleben und Bühnentod im Kabinetttheater (hg. v. Alexandra Millner, Sonderzahl 2005). Letzterer enthält Hommagen von Thomas Ostermeier, Markus Schirmer und Friederike Mayröcker.

Prinzipalin Julia Reichert und ihr Team bringen Dinge bzw. Objekte, vorgefundene oder eigens hergestellte, zum Sprechen, zum Schwingen. Oft sind es nur minimalistische Verschiebungen, das Korrespondieren von Tönen und stofflichem Material, die die Faszination und Poesie dieser Abende ausmachen.

Demnächst neu im Programm: Guillaume Apollinaires surrealistisches Drama Die Brüste des Tiresias, vertont von Gerald Resch. (Margarete Affenzeller, 1.10.2015)