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Migranten im Notquartier am Salzburger Bahnhof am Donnerstag. Nach Angaben des Integrationsressorts des Landes Salzburg werden in dem Bundesland wegen seiner Lage als Nadelöhr zu Deutschland mehr Asylanträge gestellt.
Wien – Der Tag, an dem das Durchgriffsrecht in Österreich in Kraft trat, begann für acht Bundesländer mit einer unangenehmen Nachricht. Die Austria Presse Agentur teilte am Donnerstag mit Verweis auf Daten des Innenministeriums mit, dass außer Wien kein einziges Bundesland die mit dem Bund vereinbarte Quote zur Unterbringung von Flüchtlingen erfülle. Salzburg sei mit 87,3 Prozent Schlusslicht.
Das neue Verfassungsgesetz ermöglicht dem Bund die Schaffung von Unterkünften für Asylwerber ohne Zustimmung der Länder und Gemeinden. Laut Innenministeriumssprecher werden mit Bürgermeistern bereits erste Gespräche zur Schaffung neuer Quartiere geführt. Später hieß es aus dem Innenministerium, man habe die Kriterien für die Quote standardisiert und weitere Quartiere auf ihre Winterfestigkeit – ein Muss für Einbeziehung in die Quote – überprüft. Die Zahlen sahen nun anders aus: Auch Niederösterreich und die Steiermark erfüllten die Quote, kein Bundesland lag unter 92,9 Prozent – dem Wert des nunmehrigen Schlusslichts Oberösterreich, dem 641 Plätze fehlten.
Darabos: Addieren "böswillig"
Im Burgenland reagierte man einigermaßen verärgert: Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) sagte, er empfinde das ministerielle Addieren beinahe als "böswillig". Er selbst sei für den Stichtag 29. September auf eine Quotenerfüllung von 100,31 Prozent gekommen, womit das Burgenland weit vorne liege.
Nur winterfeste Unterkünfte zählen
Das Innenministerium sah das deutlich anders: Man rechne nur "winterfeste" Quartiere, daher sei das Burgenland bei bloß 89,52 Prozent. Zu Mittag hieß es dann aus dem Ministerium, das Burgenland liege eh bei fast 97 Prozent. Darabos ist da, um es euphemistisch auszudrücken, einigermaßen irritiert. Zumal das Ministerium gerade jene Unterkünfte herausrechnet, die es selbst auf dem Gelände der Eisenstädter Polizeidirektion eingerichtet hat. Darabos: "Wir hätten kein Problem, wenn dort winterfeste Container aufgestellt werden. Aber das wäre Bundesaufgabe."
Das Burgenland werde bis Jahresende zumindest 400 neue zu den aktuell 1.800 Plätzen schaffen. Das kleine Land (Quotenschlüssel proportional zur Einwohnerzahl: 3,3 Prozent) werde jedenfalls alles unternehmen, um dem Bund keine Lücke zu bieten fürs Durchgriffsrecht. 57 von 171 Gemeinden beherbergen Flüchtlinge, den Rest bearbeite man. Die SPÖ hat eine einschlägige Broschüre produziert. Und innerhalb von Rot-Blau sei man diesbezüglich Schulter an Schulter. Darabos: "LH-Vize Johann Tschürtz hat uns sogar Quartiergeber vermittelt."
"Nicht zur Anwendung"
Auch im Land Salzburg geht man davon aus, dass das Durchgriffsrecht "nicht zur Anwendung kommt", wie es aus dem Büro der Salzburger Integrationslandesrätin Martina Berthold (Grüne) hieß. Salzburg beherbergt noch zwei Zeltstädte. In der Schwarzenbergkaserne baut der Bund als Ersatz derzeit Container auf. Und die Flüchtlinge in der Zeltstadt in der Alpenstraße sollen in eine adaptierte Sporthalle ziehen, bis ein Quartier in Kasern fertig ist.
Zudem herrsche in Salzburg eine besondere Situation aufgrund des Nadelöhrs nach Deutschland, sagte Bertholds Sprecher. Dadurch würden viele Flüchtlinge Asyl beantragen und in Bundesquartiere gebracht werden. Entscheidend sei, dass auch diese Flüchtlinge zur Quote hinzugezählt werden.
Initiative für Privatunterkünfte
Zur Schaffung privater Unterkünfte für Flüchtlinge hat der Verein "Vielmehr für alle!" in Kooperation mit der Österreichischen Hochschülerschaft ÖH und Respekt.net am Donnerstag eine bundesweite Kampagne gestartet. Ziel ist es, zumindest 1.000 Menschen in Privathaushalten, WGs oder bei Familien unterzubringen. Der Verein übernimmt die Vermittlung und will auch das Zusammenleben begleiten.
Geschätzt 1,2 Milliarden Euro Kosten
Auch unterschiedliche Zahlen über angebliche Kosten, die durch den Aufenthalt von Flüchtlingen entstehen können, sorgten diese Woche für Aufregung. Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrats, gab am Donnerstag an, wenn rund 80.000 Flüchtlinge in Österreich bleiben, könnte das nächstes Jahr grob geschätzt bis zu 1,2 Milliarden Euro Kosten verursachen. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat am Donnerstag die Schätzung, wie viele Menschen das Mittelmeer im Jahr 2015 überqueren werden, nach oben korrigiert: Man rechne mit 700.000 Personen. Bisher waren es rund 521.000 Menschen. (ruep, spri, wei, 1.10.2015)