Am Warschauer Büromarkt wird's langsam kritisch. Experten berichten von unorthodoxen Methoden, um Mieter längerfristig an sich zu binden.

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Ungarn, derzeitiges Schlusslicht jedes kooperativen Europa-Gedankens, erfreut sich bei den Investoren dieser Tage großer Beliebtheit. Zwar ist die Bautätigkeit seit den Auswirkungen der Finanzmarktkrise 2008 stark gesunken und seitdem auch kontinuierlich auf einem Tief geblieben, aber: "Sobald bei geringer neuer Bausubstanz die Nachfrage auf der Mieterseite steigt, macht das den Immobilienmarkt sehr attraktiv", wie Pasquale Diana, Executive Director und Head of CEEMEA Economics bei Morgan Stanley, im Rahmen des CEE Property Forum 2015 in Wien unlängst erklärte.

Vor allem Budapest liegt mit Renditen im Bereich von sieben bis neun Prozent (Quelle: Cushman & Wakefield) derzeit im Spitzenfeld der CEE-Hauptstädte. "Tatsächlich war die Nachfrage in den letzten zwölf Monaten bis zuletzt recht schwach", erklärt Gunnar Helm, Executive Director und Head of Real Estate Research & Strategy von der Schweizer Großbank UBS, einem der größten Vermögensverwalter Europas. "Doch wie man sieht, kann sich so etwas in kürzester Zeit ins Positive drehen. Heute sind die Officemieten in Budapest und vor allem die Logistikmieten an den gut ausgebauten Verkehrsknoten in Ungarn in einem ganz guten Bereich." Die Nachfrage sei da, gleichzeitig sei das Angebot knapper als in anderen großen CEE-Ländern.

Polens gesättigter Büromarkt

Immer kritischer werden die Stimmen im jahrelangen Wunderland Polen, hier vor allem in der Hauptstadt, wo der Büromarkt langsam gesättigt scheint.

"Warschau verfügt über eine fast unbegrenzte Verfügbarkeit von Bauland", meint Helm. "Hinzu kommt, dass es im Vergleich zu westeuropäischen Ländern nicht so strikte Planungsvorschriften gibt und die Baubehörden den Neuentwicklungen nicht gerade skeptisch gegenüberstehen."

"Überbordende Incentives"

Langfristige Mietpreiserhöhungen seien vor diesem Hintergrund beinahe unmöglich, denn spätestens dann, wenn es um die Nachvermietung geht, so Helm, sei der Mieter aufgrund des breiten Angebots am Markt und der daraus resultierenden attraktiven Incentives in einer "sehr starken, europaweit fast einzigartigen" Verhandlungsposition.

Wie man Mieter und auch Arbeitskräfte in Warschau bei sich – um nicht zu sagen: bei Laune – hält, weiß Tomasz Lisiecki, Chief Development Officer beim CEE-Zampano TriGranit, zu berichten. "In so manchem Warschauer Fall, habe ich auch schon gehört, bindet man die Mieter und Angestellten mit einer jährlichen Ferrari-Ausfahrt oder einem kostenlosen Aston Martin für ein Wochenende zu zweit. Für uns jedenfalls sind solche überbordenden Incentives ein beunruhigendes Zeichen." In den kommenden Jahren werde TriGranit in Warschau jedenfalls keine Büroentwicklungen mehr vornehmen.

Logistik als Chance

Attraktiv hingegen scheint in Polen der gesamte Logistik- und Industriesektor. Hier spielt die enorme Bodenverfügbarkeit den Investoren geradezu in die Hände. "Meine Beobachtung ist, dass wir in Polen CEE-weit eine der höchsten Nachfragen und Erwartungen im Logistiksektor haben", meint Ben Bannatyne, Managing Director und Regional Head for CEE beim weltweit agierenden Logistikentwickler und -betreiber ProLogis. "Ich erachte den Markt als transparent, stabil und heißumkämpft. Hier wird man in den nächsten Jahren mit großer Sicherheit viel Geld machen können." Nichtsdestotrotz empfiehlt Bannatyne, daran zu denken, wie man sich positionieren möchte, wenn in ein paar Jahren die ersten Mietverträge auslaufen werden.

"Der CEE-Markt ist generell diffiziler und auch differenzierter geworden", fasst UBS-Experte Gunnar Helm zusammen. "Die meisten CEE-Länder stehen nun an dem Punkt, wo sie erwachsen werden. Sie haben sich von einem Emerging Market zu einem Mature Market entwickelt, haben damit aber auch ihre Vorschusslorbeeren und jugendlichen Boni aufgebraucht."

Grenzen des Wachstums

Die enormen Wachstumsraten der vergangenen 20 Jahre seien vorbei. Für die Volkswirtschaften bedeutet das, den nächsten Schritt zur Professionalisierung und Konsolidierung zu setzen.

"Die Konkurrenz ist nun nicht mehr in den anderen mittelosteuropäischen Ländern zu finden, sondern meines Erachtens findet der Wettbewerb jetzt gegenüber Spanien, Portugal, Italien statt", meint Helm. Der Catch-up ist abgeschlossen. Der Mix-Match kann beginnen. (Wojciech Czaja, 3.10.2015)