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Chris Robshaw und England werden in der entscheidenden Phase keine Muskeln mehr spielen lassen können.

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Stuart Lancaster enschuldigte sich bei den Anhängern und warb für Unterstützung für seine jungen Spieler. Noch vor der WM war der Vertrag des englischen Teamchefs bis 2020 verlänger worden, ob er nun tatsächlich bleiben wird steht in den Sternen.

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Formidable: Australiens 28-Punkte-Mann Bernard Foley.

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London/Newcastle – Die Rugby-Weltmeisterschaft muss ab sofort ohne Gastgeber auskommen: England hat nach einer 13:33-Niederlage gegen Australien vor 82.000 Zuschauern in Twickenham keine Chance mehr, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren.

Schon im Anlauf auf die Endrunde war es ein dominantes Narrativ gewesen, dass ein großes Kaliber die Vorrundengruppe A nicht überstehen würde: Australien (zweifacher Champion), England (Champion) oder Wales (Dritter, Vierter).

Die Bilanz sprach vor dem Kracher vom Samstagabend für Australien (24:18 Siege, 907:661 Punkte), doch die Engländer konnten Zuversicht aus der Tatsache ziehen, dass vier der jüngsten fünf Vergleiche zu ihren Gunsten ausgefallen waren.

Erste Punkte waren nach Penalty wegen Abseits für Australien zu notieren, England zahlte mit gleicher Münze zurück. In der 20. Minute dann eine ausgedehnte Angriffssequenz der Gäste, der sich die Engländer zwar lange konzentiert entgegen stellten, schließlich aber doch auf der rechten Seite in Unterzahl gerieten und Bernard Foley den Premieren-Try des Spiels legen konnte. Die Conversion besorgte der Flyhalf anschließend höchstselbst.

Eine sehr flüssiges Spiel entwickelte sich, besonders auch im Vergleich zur recht eindimensionalen Begegnung der Engländer gegen Wales. Beide Mannschaften setzten auf schnelles Kombinationsspiel, in dem die flinkeren Hände jedoch auf australischer Seite zu finden waren. Bestes Beispiel dafür war ein Doppelpass von Foley mit Kurtley Beale, der die englische Defensive aufriss. Foleys zweiter Versuch, elegantes Antäuschen und Hakenschlagen inklusive, war die unausweichliche Folge, ein Vorwärtspassverdacht rasch ausgeräumt (35.). Mit 17:3 war der Vorsprung der Männer in Grün und Gold nun komfortabel zu nennen. Nur einmal, nach einem abgeblockten Befreiungskick, kam ihre Trylinie in der ersten Halbzeit wirklich in Gefahr.

England vs. Australien: Highlights
World Rugby

Die Hoffnung im englischen Lager, über den stabileren Scrum zu verfügen, erfüllte sich nicht – das Pack der Wallabies hielt mehr als stand. Das zeigte sich gleich nach der Pause erneut, als England wegen unsauberer Arbeit im Gedränge bestraft wurde und der unfehlbare Foley sein Team mit einem Penalty noch weiter außer Reichweite kickte. Prop Joe Marler musste eine regelkundliche Belehrung von Referee Romain Poite über sich ergehen lassen.

England enttäuschte nicht, doch die Australier erlaubten sich kaum einen einen Fehler. Auch als die Briten mit dem Mute der Verzweiflung die Initiative an sich rissen, verloren sie ihre Ordnung nicht. Anthony Watson mit einem geduldig in Szene gesetzten Try (56.) und der erneut sichere Fuß Owen Farrells verkürzten zwar das Defizit, doch Englands Flyhalf erlaubte sich kurz darauf einen kapitalen Bock: Tackle ohne Ball – zehnminütiger Ausschluss und Penalty für Australien zehn Minuten vor dem Ende. Eigentlich hätte auch Sam Burgess abgehen müssen, der in derselben Szene den Australier Michael Hooper oberhalb der Schulterlinie attackiert hatte.

Foley jedenfalls, der überragende Mann an diesem Abend, ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Ebenso, wie nach einer weiteren Undiszipliniertheit auf englischer Seite. Insgesamt kassierte das Team von Coach Stuart Lancaster in den 80 Minuten aufgrund von Regelwidrigkeiten beinahe doppelt so viele Strafen wie der Gegner (9:5)

Bei einem Stand von 13:26 war ein Comeback nun ausgeschlossen. Im Gegenteil vervollständigte Matt Giteau den Zusammenbruch mit einem weiteren Try. Foley erhöhte, von 33 australischen Punkten gingen 28 auf sein Konto. England hatte zum zweiten Mal in der WM-Geschichte zwei Matches hintereinander verloren und kann einpacken. Die Wallabies und Wales dagegen haben den Platz in der K.-o.-Phase des Turniers nun schon vor ihrem direkten Duell in einer Woche sicher.

Südafrika findet sich

Südafrikas Springboks, die fünf ihrer letzten sieben Tests verloren hatten, präsentierten sich in Newcastle im Spiel der Gruppe B gegen Schottland ganz wie sich das gehört: aggressiv und dominant. Von irgendwelchen Selbstzweifeln war nichts geblieben.

Coach Heynecke Meyer hatte seine Erfolgsformation aus dem Spiel gegen Samoa kaum verändert. Kumuliert kamen seine Auserwählten auf über doppelt soviele Teameinsätze wie die schottische XV. Soviel zum Thema Routine.

Nach einer Viertelstunde hatten die Südafrikaner 80 Prozent Ballbesitz vorzuweisen, die Partie spielte sich fast vollständig in der schottischen Hälfte ab. Das Maul der Springboks marschierte, die Europäer kamen mit dem Tacklen kaum mehr nach. Oft genug aber pflügten die Südafrikaner nur so durch die Verteidigungsstellungen. Bei den häufig eingesetzten Kicks (21 allein in den ersten 40 Minuten) machten sie ebenfalls nicht viel Federlesens: Gerade nach vorne und hinterher galoppiert – sofortiger Druckaufbau lautete die Maxime. Die physische Überlegenheit war erdrückend. Schalk Burger (erzwang in der 13. Minute den ersten Versuch) und Jannie Du Plessis bearbeiteten besonders eifrig alles Dunkelblaue.

Du Plessis, ein Prop wie aus dem Bilderbuch (1,87 m, 123 kg), marschierte dann nach einer halben Stunde auf die Armesünderbank. Er hatte es wiederholt unterlassen, beim Tackling – zumindest auch – die Arme zu gebrauchen. Die zehnminütige numerische Überlegenheit hätten die Schotten gut brauchen können, Südafrika aber machte einfach weiter wie bisher. Ein weiteres unaufhaltsames Maul brachte JP Pietersen in Position, mühelos legte er den zweiten Try. Bei einem Zwischenstand von 20:3 war das Match noch vor der Pause ganz fraglos entschieden, der zweifache Weltmeister auf dem Weg zum 21. Sieg im 26. Vergleich mit den Schotten.

Südafrika vs. Schottland: Highlights
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Tommy Seymour scorte nach dem Wechsel den ersten Try für Schottland, ein Großteil der Blumen musste aber an Duncan Weir gehen, der nach einem krassen Fehlpass auf südafrikanischer Seite munter Fersengeld gegeben und das halbe Feld im Alleingang überwunden hatte. Mit dem Spielverlauf hatte das zu diesem Zeitpunkt zwar nicht viel zu tun, doch ganz offensichtlich hatten die Schotten Verbindung zu ihrem legendären Kampfgeist aufgenommen – die Springboks mussten aufpassen. Das taten sie, und hatten eigentlich auf jede schottische Frage eine Antwort auf Lager.

Im Finish legte Bryan Habana den dritten Try seines Teams zum Endstand von 34:16, es war der zwölfte im Rahmen von Weltmeisterschaften für den 32-jährigen Flügel. Nur der große Neuseeländer Jonah Lomu (15) und dessen Landsmann Doug Howlett (13) haben mehr. Lodewyk De Jager, Man oft the Match: "Ich hoffe, wir können den World Cup gewinnen."

Der nächste Schritt auf diesem Weg wäre für die nun bei 11 Punkten haltenden Südafrikaner ein Sieg im letzten Gruppenspiel gegen die USA, das sollte machbar sein. Die Schotten (10 Punkte) dagegen haben nun ihr Entscheidungsmatch gegen Samoa, so hatten es die Planspiele vor Turnierstart auch vorgesehen. Japan hält nach seinem 26:5 gegen die Ozeanier ebenfalls bei nun zwei Siegen (8 Punkte) und trifft in seinem letzten Gruppenspiel ebenfalls noch auf das US-Team.(Michael Robausch, 4.10.2015)