Wien – Jugendliche Asylwerber bis 25 Jahre sollen es künftig einfacher haben, eine Lehrstelle zu finden. Das hofft zumindest die Regierung. Am Dienstag gab Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bekannt, dass Asylwerber ab sofort in allen Mangelberufen eine Lehre beginnen dürfen. Und zwar dann, wenn das AMS keinen inländischen oder integrierten ausländischen Jugendlichen vermitteln kann. Bisher wurden Flüchtlinge vor allem in der Landwirtschaft und im Tourismus beschäftigt.
DER STANDARD hat sich angesehen, wie groß die Verbesserung durch den neuen Erlass in der Praxis ist. Zunächst eine Übersicht, welche Branchen derzeit vom Sozialministerium und Arbeitsmarktservice als Mangelberufe definiert werden, wie viele Arbeitslose und offene Stellen es dort gibt.
Gastronomie sucht
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dann aber, dass bei weitem nicht in allen diesen Mangelberufen auch Lehrlinge gesucht werden. Großen Bedarf gibt es vor allem im Tourismus und in der Gastronomie. Bei den Köchen gibt es beispielsweise 664 offene Lehrstellen, aber nur 228 Lehrstellensuchende – die Lücke liegt also bei 436 Plätzen.
Eine größere Kluft gibt es auch bei den Berufen Hotelgewerbeassistent und -assistentin sowie Gastronomiefachmann und -fachfrau. Aber wie gesagt: Für diese Berufe durften sich Asylwerber schon bisher bewerben.
Einen größeren Bedarf gibt es ansonsten nur mehr beim Lehrberuf "Einzelhandelskaufmann und -frau" bzw. im Lebensmittelhandel. Aber auch hier dürfte der Erlass des Sozialministeriums keine Riesenverbesserung für Asylwerber bringen.
Denn in den Bundesländern wurde die Mangelberufsliste von den Regionalbeiräten des AMS auch in der Vergangenheit bereits flexibler gehandhabt. In Wien war es beispielsweise schon bisher möglich, Asylwerbern offene Lehrstellen im Einzelhandel zu vermitteln – oder auch als Drogisten, Fassadenreiniger oder Friseure.
Bei Spenglern oder Dachdeckern wiederum werden kaum Lehrstellen angeboten – hier suchen die Arbeitgeber offenbar vor allem fertig ausgebildete Arbeitskräfte. Für die Jobs Fräser oder Dreher, wo ebenfalls gern auf den Fachkräftemangel hingewiesen wird, gibt es hingegen mit Stand Ende September keine einzige beim AMS gemeldete offene Lehrstelle.
Auch regional gibt es große Unterschiede. Nur in Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich und in Salzburg gibt es insgesamt mehr offene Stellen als Lehrstellensuchende.
Österreichweit kann noch immer nicht von einem Lehrlingsmangel gesprochen werden. Ende September kamen auf 5.103 offene Stellen fast 7.500 an einer Lehrstelle Interessierte. Besonders wenig offene Lehrplätze gibt es in der Bundeshauptstadt Wien. Hier gibt es fast zehnmal so viele junge Leute, die nach einer Lehrstelle suchen, als Angebote. (Günther Oswald, 6.10.2015)