
Beim Kaffeehäferl werden Erinnerungen an die Oma wach. Ansonsten problematisch die Sache mit den Frauen: Die Angetraute ist weg, die Mama bleibt einem aber.
Wien – So schnell, wie die Zeit vergeht, hält man sich gern an etwas fest. Und sei es nur der Teelöffel, bis man ihn am Ende abgibt. Aber auch größere Konstanten gibt es im Leben. Geburtstage etwa. Oder die Steuererklärung. Für den ersten Umstand den Biertisch aufgebaut, ist jetzt schon mal der Platz da, auch Letztere zu begehen, denkt sich Stefan Waghubinger im Kabarett Niedermair. Weil er aber keinerlei Lust drauf hat, wird das zum Resümee. Denn die Berge, die man einst versetzen wollte, schiebt man jetzt nur noch vor sich her: Formulare, Belege etc.
Einst, das heißt, als die Raumschiff Enterprise-Zukunft im Fernsehen noch schwarz-weiß erschien. Mit dem Holzofen im Rücken war das ein Aufwachsen zwischen zwei Welten, verankert in der oberösterreichischen Provinz: Wo man mit der Kronen Zeitung als "Brandbeschleuniger" das Badewasser aufkochte, es Mülltrennung noch nicht gab (um dieses Kindheitsgefühl des Dreckigseindürfens wieder zu erleben, müsse man heutzutage weiter wohin auf Urlaub fahren) und Political Correctness (" dass man seine Meinung nicht falsch ausspricht") ebenso wenig.
Ken im Fabrtopf
Wie diffizil letztere Angelegenheit heutzutage etwa ist, illustriert er am Beispiel von Barbie und Ken: Wer von beiden im Spiel der Tochter wem die Koffer hinterhertragen muss, um nicht politisch inkorrekt zu sein, ist für Waghubinger nicht zuletzt eine Frage davon, ob Ken in einen Eimer mit dunkler Holzlasur gefallen ist. "Mit dem Schwarzen spielst nimmer", so das ob aller möglichen ziehbaren Schlüsse besorgte Urteil des Vaters.
Dass das nicht billig wird, liegt an der unbemüht unbedarften Art, die Waghubingers Auftritt eigen ist. Und daran, dass er ehrlich wirkt, wenn er die eigene Biografie als Aufhänger behauptet.
Zieht man ein paar unnötig einfach kalkulierte Pointen ab, bleibt ein wohltemperiert melancholisches Programm. Über von schlechten Weihnachtsgeschenken zerstörte Selbstbilder, inhumane Ameisen und die Frau, die einen verlassen hat. Darüber, dass man sich mehr hätte freuen sollen und Spuren lieber im Leben hinterlassen will als im Internet. Denn desillusioniert und doch romantisch weiß dieser Mann: Nichts, was wirklich wichtig ist, kann man per Knopfdruck regeln.
Waghubinger lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Zum Theologiestudium ausgewandert, schreibt und zeichnet er seit 1997 Cartoons (u. a. für die Kirchenzeitung) und Kinderbücher. Außergewöhnliche Belastungen war seine gelungene Wien-Premiere. (Michael Wurmitzer, 9.10.2015)