Ankara/Wien – Nach einem vierten Luftzwischenfall mit einem russischen Kampfjet in ebenso vielen Tagen sucht die türkische Führung nach einem diplomatischen Weg zur Beilegung der wachsenden Spannungen mit Moskau. "Die Krise in Syrien ist keine türkisch-syrische Krise und darf es nicht sein", erklärte der türkische Premier Ahmet Davutoglu am Mittwoch. Nach Darstellung Davutoglus habe die russische Seite ein Treffen angeboten. Dieses müsse natürlich in Ankara stattfinden, sagte der Premier.

Wie am Mittwoch in der Türkei bekannt wurde, erfasste eine russische MiG-29 am Montag erneut türkische Kampfjets beim Pa trouillenflug an der Grenze zu Syrien mit dem Zielradar. Die Radarerfassung ist die Vorstufe zum Abschuss. Der Vorfall dauerte dieses Mal acht Minuten und 45 Sekunden, was ausschloss, dass es sich um ein Versehen handelte. Der russische Botschafter wurde wieder ins Außenamt einbestellt. Am Dienstag wurden dann acht türkische Maschinen 30 Sekunden lang von einem Flugabwehrsystem in Syrien erfasst, meldete die türkische Armee am Mittwoch.

"Kaum Angriffe gegen IS"

Nur zwei der bisher 57 Bombardements der russischen Luftstreitkräfte in Syrien hätten sich gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat gerichtet, gab Davutoglu an. Die Türkei unterstützt Rebellen der Freien Syrischen Armee und islamistische Verbände beim Kampf gegen das Regime von Syriens Staatschef Bashar al-Assad.

Eine von der russischen Regierung gecharterte Fähre mit dem Namen Aleksandr Tkachenko soll zuletzt am 6. September Militärfahrzeuge durch den Bosporus nach Syrien transportiert haben.

Umfrage: AKP-Mehrheit wackelt

Die Spannungen in der Türkei halten derweil an, ohne dass die weiter regierende konservativ-islamische Partei von Staatschef Tayyip Erdogan und Premier Davutoglu davon offenbar profitiert. Drei neue Umfragen vor den Parlamentswahlen am 1. November legen den Schluss nahe, dass die AKP wie bei den Wahlen im vergangenen Juni erneut die absolute Mehrheit verpasst.

Zwei Umfrageinstitute errechneten 39 und 40 Prozent für die Erdogan-Partei, eines kam auf 42,6 Prozent. Auf die Sitzzahl umgelegt, könnte das 246 oder bestenfalls 268 Mandate im Parlament bedeuten. Für eine Alleinregierung brauchte die AKP mindestens 276 Sitze. Die Konservativ-Religiösen sind in der Türkei seit November 2002 an der Macht. Derzeit führt eine Übergangsregierung die Geschäfte, die aber wiederum mit AKP-Politikern oder der Partei nahestehenden Persönlichkeiten besetzt wurde. (Markus Bernath, 7.10.2015)