Eine Stunde lang stellte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel den Fragen von Anne Will. Einziges Thema: die Flüchtlingskrise.

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Der Graben zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und der CSU wird immer tiefer. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die nach wie vor aus Österreich nach Bayern kommen, fordern Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer nun, die Grenze zu Österreich zu schließen.

"Maßnahmen der Notwehr"

Laut der "Bild"-Zeitung will Seehofer Flüchtlinge nach Österreich zurückschieben. Das bayrische Kabinett werde "Maßnahmen der Notwehr" ergreifen, dazu gehören auch "Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands".

"Sollte unser Nachbarland Österreich weiterhin das europäische Recht missachten, muss auch Deutschland prüfen, ob es Flüchtlinge nicht unmittelbar an der österreichischen Grenze zurückweist. Denn in Österreich waren die Flüchtlinge bereits sicher", erklärte Herrmann. Er verweist auf das Grundgesetz, in dem festgelegt sei, dass jemand, der aus einem sicheren Land nach Deutschland komme, keinen Anspruch auf politisches Asyl habe.

Krisensitzung

Zurzeit werde dies durch die sogenannte Dublin-Regelung in der EU überlagert. Diese besagt, dass Flüchtlinge in dem Land ins Asylverfahren müssen, in dem sie die EU betreten. Da "Dublin" aber de facto nicht mehr gelte, müsse man eben deutsches Verfassungsrecht anwenden. Die bayerische Regierung will am Freitag in einer Krisensitzung über Maßnahmen beraten. Im Alleingang wird der Freistaat die Grenzen nicht schließen können. Denn, wie Herrmann einräumt: "Das ist Bundesrecht." Im Gespräch ist die Weiterleitung von Sonderzügen mit Flüchtlingen in andere deutsche Bundesländer.

Mikl-Leitner: Intensivere Kontrollen

Österreich wird nach Worten von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "intensiver, umfassender zu kontrollieren beginnen", wenn Bayern den Flüchtlingsstrom aus Österreich verlangsamt. Dies sagte die Innenministerin am Donnerstagabend vor Beratungen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg zur Flüchtlingskrise.

"Signale der Ordnung"

Merkel hingegen hat in einem vielbeachteten Interview klargemacht, dass die Grenzen nicht geschlossen werden und dass es keinen Aufnahmestopp geben werde. Eine Stunde lang stellte sie sich in lockerer und optimistischer Verfassung den Fragen von ARD-Talkerin Anne Will (Zitate unten).

Erneut lautete ihr Credo: "Wir schaffen das. Deutschland ist ein Land, das die Flüchtlinge freundlich empfängt. Darauf bin ich stolz." Allerdings räumte Merkel auch ein, dass "Signale der Ordnung" nötig seien. Sie aber habe "einen Plan". Sie dämpfte jedoch Hoffnungen, die Krise könnte bald enden: "Es liegt nicht in meiner Macht, wie viele Menschen nach Deutschland kommen."

Vergleich mit Schröder

In Berlin wird Merkels Handeln immer öfter mit Gerhard Schröders Vorgehen im Jahr 2004/2005 verglichen. Damals setzte Schröder als Kanzler die Agenda 2010 um, und diese bescherte den Deutschen tiefe Einschnitte ins Sozialsystem (Stichwort Hartz IV).

Schröder agierte dabei gegen große Teile der Bevölkerung und der SPD, die Gründung der Linken durch Oskar Lafontaine war die Folge. Doch Deutschland hatte damals eine Rekordarbeitslosigkeit und galt als "kranker Mann Europas". Schröder waren die Reformen wichtiger als seine Kanzlerschaft. Denn die Wahl 2005, die er zur Vertrauensfrage über die Agenda machte, kostete ihn dann das Amt. (bau, red, 8.10.2015)