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Präsident Erdoğans Sohn Bilal und seine Tochter Sümeyye im August 2014.

Foto: AP Photo / Burhan Ozbilici

Der Sohn des Präsidenten ist mit Kind und Kegel nach Italien, hat die türkische Öffentlichkeit diese Woche erfahren. Der jüngere Sohn, Bilal, nicht Burak, der erfolgreiche Reeder. Die Wissensmuse rief und Bilal folgte. Zu Bologna will der 35-jährige Spross von Staatschef Erdoğan nun seine Studien der Internationalen Beziehungen mit einem Doktorenwerk zu Ende bringen. Die Wohnung nahe der Piazza Maggiore im Zentrum ist schon bezogen, die Kinder in der Nähe eingeschult. Bella Italia.

Eingeschrieben ist Bilal an der italienischen Filiale der Johns-Hopkins-Universität in Washington, eine der mittlerweile populärsten merkantilen Hochschulen, wo man für 50.000 Euro Studiengebühr interessante Dozenten, doch anschließend nicht unbedingt einen Job findet. Gleichviel! Bilal Erdoğan ist bereits Geschäftsmann, ein iş adamı, wenn auch mit unscharfen Konturen, irgendwo zwischen islamischem Studentenhilfswerk und Immobilien, ein gemeinnütziger Immobilienentwickler vielleicht, jedenfalls immer noch Mitglied im Vorstand der türkischen Bildungsstiftung Türgev, zusammen mit Esra, seiner Schwester. Der älteren, nicht Sumeyye, der als einzigen die politischen Killerinstinkte des Papa nachgesagt werden.

Der Alarmvogel

Den Stein ins Rollen gebracht hat mit Bilals Italien-Eskapade – denn nichts mehr gilt als harmlos in der Arena der türkischen Politik – der Alarmvogel Fuat Avni, mit dem Erdoğan und die AKP-Regierung nun wirklich keine Freude haben. Diesen Twitterschreiber mit dem Kunstnamen hat die Internetpolizei der Regierung auch nach zwei Jahren Whistleblowing nicht dingfest machen können. Das hat unter den Türken zu kalauernden Mutmaßungen geführt, Bilal selbst oder Sümeyye gar tippten unter dem Pseudonym Fuat Avni heimlich Indiskretionen aus dem Sicherheitsapparat und Erdoğans Machtzirkel als Twittermeldungen in das Smartphone.

Zumindest Bilal selbst kann man jetzt als Fantomas Fuat Avni ausschließen. Denn der Erdoğan-Sohn in Bologna hat einem Korrespondenten der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu seine Empörung über die ganze Angelegenheit kundgetan. Außer natürlich, Bilal würde erst die Nachricht von seiner angeblichen Flucht nach Italien unters Volk streuen und anschließend dann Betrübtheit über so viel menschliche Niedertracht mimend, mit aller Entschiedenheit dementieren ... Who really knows?

Wahlkampfzeit

Das nämlich behauptet Herr Avni, dessen Ankündigungen aus dem Off sich manchmal bewahrheiteten, manchmal auch nicht: Bilal macht die Biege. Erdoğans jüngster Sohn hat sich am 27. September abgesetzt mit Familie und Vermögen, um dem Vater den Fluchtweg zu ebnen für den Fall der Fälle, wenn auch die Neuwahl des Parlaments am 1. November danebengeht, die AKP auseinanderfällt und die Justiz sich am Ende noch am Staatschef vergreift, der Korruptionsaffäre vom Dezember 2013 wegen und der Wahlkampfauftritte des Präsidenten, welche die Verfassung nicht eben vorsieht. Italien ist gut, Italien ist immer noch ein bisschen Berlusconi-Land. Der war auch bei Bilal Erdoğans Hochzeitsfeier dabei, 2003 in Istanbul.

Natürlich ist das Unsinn. Es war nicht der 27. September, sondern der 30. August, stellte Bilal Erdoğan gegenüber Anadolu klar. Eineinhalb bis zwei Jahre brauche er für seine Doktorarbeit in Bologna. Dann komme er zurück. Alles andere sei Lüge, sagt er. "Nur Feiglinge fliehen." (Dieser Beitrag kann Spuren eigener Meinung enthalten) (Markus Bernath, 9.10.2015)