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Ist unsere sexuelle Orientierung angeboren oder doch erworben? Eine neue Studie schlägt eine Art Kompromiss vor: Faktoren, die vererbt wie auch umweltbedingt sein können, spielen womöglich eine wichtige Rolle.

Foto: APA/dpa/Michael Löwa

Baltimore/Wien – "Baby, I was born this way." Lady Gagas Song aus dem Jahr 2011 wurde zu einer Hymne der Lesben- und Schwulenbewegung – womöglich auch deshalb, weil er die sexuelle Orientierung zu etwas Angeborenem erklärte. Bloß: Bei der Suche nach genetischen Markern für Homosexualität hat sich die Forschung bis jetzt sehr schwer getan.

Zwar hatte der US-Genetiker Dean Hamer bereits 1993 behauptet, in der Region Xq28 des X-Chromosoms eine Art "Schwulen-Gen" entdeckt zu haben. Doch auch wenn erst im Vorjahr die Bedeutung dieser Region für sexuelle Orientierung bestätigt wurde: Konkrete Gene konnten noch nicht identifiziert werden. Dagegen sprechen freilich auch Studien mit Zwillingsbrüdern: Konkret sind nur 20 bis 50 Prozent der genetisch identischen Brüder von homosexuellen eineiigen Zwillingen ebenfalls schwul.

Das ist auch der Grund, warum zuletzt einige Forscher vorgeschlagen haben, dass womöglich epigenetische Faktoren eine Rolle spielen könnten. Damit sind bestimmte Kontrollsysteme gemeint, die das Erbgut beeinflussen. Dazu gehören chemische Schalter-Moleküle, sogenannte Methylgruppen, die bestimmen, ob und wie aktiv bestimmte Gene sind. Diese Regler der DNA werden zum Teil vererbt, aber auch während der Schwangerschaft gebildet oder entstehen erst im Laufe des Lebens.

Forscher um Tuck Ngun von der University of California in Los Angeles setzen mit ihrer neuen Untersuchung genau da an. Sie analysierten die Methylierungsmuster in 140.000 DNA-Abschnitten – und zwar von 37 eineiigen Zwillingspaaren, von denen jeweils ein Partner homosexuell war und der andere nicht, sowie von zehn Paaren, bei denen beide Zwillinge homosexuell waren.

Vorhersagewahrscheinlichkeit von 70 Prozent

Um Muster in den riesigen Datenmengen der sogenannten "Epigenome" aufzuspüren, entwickelten die Forscher einen eigenen Algorithmus – und wurden prompt fündig: Laut ihren Berechnungen, die vor wenigen Tagen bei der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik präsentiert wurden, gibt es in neun quer übers Genom verteilten Bereichen bestimmte Methylierungsmuster, die eine Vorhersage über die sexuelle Orientierung mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent zuließen – mithin das erste Beispiel für ein Vorhersagemodell zur sexuellen Orientierung auf Basis molekularer Marker, wie Ngun anmerkte.

Damit sind freilich noch etliche Fragen offen – etwa die, wie die DNA-Methylierung in den entdeckten Regionen Einfluss auf die sexuelle Orientierung nimmt. Das soll nun durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Außerdem hoffen die Forscher, die Genauigkeit ihres Algorithmus in einer breiteren Testgruppe von Männern zu verbessern. (tasch, 9.10.2015)