Das fünfte Element – also der Feta, der auf dem Salat liegt – ist für den Sopska entscheidend. Aber das war nicht immer so.

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Er nimmt uns das schlechte Gewissen, wenn das Fett aus der Pljeskavica rinnt, während wir sanft mit der Gabel auf sie drücken. Wir essen ihn, wenn wir ölige Mućkalica genießen, wenn wir den kupfernen Deckel heben und uns das Kalbsfleisch mit wabernder Schwarte entgegendampft, jedes Mal, wenn wir uns Würstel mit Bohnen, Ćevapi (im deutschsprachigen Raum als Ćevapčići verunglimpft) mit rahmigem Kajmak bestellen, wenn vor uns ein Schafskopf am Tisch landet oder Raznjići mit Zwiebeln vom Grill kommen, wenn wir nicht auf die Leber im Saft verzichten können, immer dann ist er auch dabei: der Šopska-Salat.

Zum Šopska gehören Paradeiser, Gurken, Paprika, Zwiebel und Feta. "Wer hat noch nicht von unseren Vojvoden gehört, die durch den Balkan wanderten und einen der einfachsten und köstlichsten Salate erfanden?", fabulierte eine Speisekarte aus dem Jahr 2010 in Sofia. Dass der Šopska gute balkanische Tradition ist, daran haben wir niemals gezweifelt.

Bis jetzt. Bis der bulgarische Historiker Stefan Detchev an der Universität Gießen Ende September einen folgenreichen Vortrag gehalten hat. Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert habe es in Bulgarien nur Kraut, Zwiebel, Knoblauch und Rettiche als Gemüse gegeben, erzählte er. Und er zeigte ein Kochbuch aus dem Jahr 1870, in dem überhaupt noch kein Salat erwähnt wurde.

"Historische Quellen zeigen, dass es im 19. Jahrhundert – in den letzten Jahrzehnten osmanischer Herrschaft – nur eine vage Idee von Salat gab, seitens einer Minderheit der Bulgaren", erläuterte der Professor aus Sofia. In seinem Handbuch zum Haushalt schrieb etwa der Lehrer Dimitar Apostolov um 1900: "Die schwachen Leute sollten vorsichtig damit sein Salat zu essen, weil er mit der Hinzugabe von Essig und Öl die Verdauung behindern kann."

Ergebnis der Modernisierung

Erst ab den 1930er-Jahren organisierte der Staat die Einfuhr von Samen. Die Ingredienzien des Salats waren also eine westliche Erfindung, die zunächst in die Städte auf dem Balkan gelangte. In diesen Zeiten wurde auch erstmals über die Bedeutung von Vitaminen gesprochen. Und in den Kochbüchern tauchten Salate auf. Detchev spricht von einer Gleichzeitigkeit der Modernisierung und Nationalisierung. Der Salat sei im Rahmen der Gründung einer bulgarischen Nationalküche erst richtig erfolgreich geworden – obwohl er dort gar keine Tradition hatte.

Später entsprach er dann den Erwartungen von Touristen, die diese vom "Land der Gemüsehändler" hegten – obwohl auch die Gemüsehändler etwas recht Neues waren. Der Sopska-Salat wurde aber zum "gesunden Essen unserer Vorväter" stilisiert, so Detchev. Und ein eigentlich westliches, bürgerliches und urbanes Gericht wurde somit zu einem nationalen Symbol. Der Šopska wurde ein patriotischer Salat. Hilfreich war vielleicht auch, dass er die Farben der bulgarischen Trikolore innehat: Weiß, Grün, Rot.

Dabei ist das Rot der Paradeiser auf dem Balkan noch nicht einmal seit hundert Jahren in der Küche akzeptiert. Die Paradeiser wurden erst ab den 1930er-Jahren verstärkt angebaut. Salate mit roten Tomaten waren noch lange in der absoluten Minderheit. "Niemand hat die gegessen, weil sie als verrottet angesehen wurden. Die Leute aßen nur grüne Tomaten", berichtete der Chefredakteur der Zeitung Utro, Stefan Tanev, über die Jahrhundertwende in Sofia. Dafür gab es Paprika zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits im Überfluss. Der italienische Journalist Vico Mantegazza beschwerte sich im Oktober 1886, als er Bulgarien besuchte, über die "verdammten Paprika", die er nicht gewohnt war, und den Mangel an anderem Gemüse.

Käseloser Paprikagatsch

Das erste Mal tauchte der Begriff "Šopska-Salat" in den 1940er-Jahren auf, da war er noch so etwas wie ein Paprikagatsch, bis in die 1950er-Jahre wurde er völlig ohne Käse zubereitet. Ab dann wurden auch rote Tomaten verwendet. Bis zum Ende der 1970er-Jahre blieb der Käse auf dem Šopska aber nur eine Kann-Bestimmung. Das ist umso erstaunlicher, als man heute den Šopska ohne Käse – der gerieben obenauf liegt wie geschreddertes Papier – als solchen gar nicht erkennen könnte.

Der Name des Šopska-Salats geht auf die Region Sopluk zurück, die in Serbien und Bulgarien liegt, obwohl gerade dort aufgrund der Berge nicht wirklich viel Gemüse angebaut werden kann. Die Šopi sind Bewohner des Hochlands. Sie gelten als provinziell und stur. Über ihre kulinarischen Vorlieben ist wenig bekannt, außer eine Geschichte über einen Šop, der in einem Geschäft Seife kostet, weil er denkt, diese sei zum Essen da. Als der Schaum aus seinem Mund quillt, sagt er: "Schaum oder nicht Schaum, dieses Ding kostet Geld, und also soll ich es auch essen." (Adelheid Wölfl, 10.10.2015)