Mit Rap wollen die Mitglieder von Juchirap verhindern, dass die Kultur der Zapoteken völlig in Vergessenheit gerät.

Foto: Francisco Ramos

Blechern schallt eine Stimme aus den Boxen. "Wenn du gerade vor dem Fernseher sitzt, dann schalt ihn aus, komm raus auf die Straße und hör uns zu!" Drei Burschen stehen an einer Kreuzung, Kappe auf dem Kopf, Mikro in der Hand. Es fiept, dann rollt der Rhythmus.

Vor vier Jahren haben Antonio Sánchez (19), Cosijopii Ruíz (19) und Lenin Pacheco (17) die Hip-Hop-Crew Juchirap gegründet. In jeder vorlesungsfreien Minute rappen die Studenten seitdem in einem Mix aus Spanisch und Zapotekisch über die Geschichte und Kultur ihrer Region.

Die Crew lebt in Juchitán, einer Kleinstadt im Süden Mexikos. Auf dem Marktplatz hocken Frauen und schöpfen frischen Leguan-Eintopf in Suppenteller und braten belegte Maisfladen. Ein paar Blöcke weiter führt eine staubige Sackgasse zu dem blauen Haus mit Bambuszaun, in dem Cosijopii mit seinen Eltern wohnt. Die haben ihm das Zapotekisch schon in den Namen gelegt: Cosijopii war ein zapotekischer König und Gründer von Juchitán.

In seinem Zimmer brütet Cosijopii über einem Blatt. Er kritzelt ein paar Zeilen, murmelt, radiert. Antonio wippt vor dem Mikrofon und schießt los. "Kultur von Juchitán, ich habe Angst, dass du verlorengehst! Du, Frau des Südens, trägst keine Trachten mehr."

Hip-Hop an Schulen

Die Melodie verstummt, zurück bleibt das Summen des Ventilators, der beständig seine Kreise zieht. Antonio fläzt sich neben Cosijopii und Lenin aufs Bett. "Hip-Hop galt hier lange als Synonym für Schimpfwörter, Sex und Alkohol", erzählt er, "aber unser Rap ist anders. Wir wollen die Leute darauf aufmerksam machen, wie es um unsere Kultur steht."

Einst war Juchitán der Nabel des Zapoteken-Volks, seine Kultur eine der wichtigsten des prähispanischen Mexiko. Heute spricht kaum einer Zapotekisch. Wie die Burschen von Juchirap ist auch Francisco Ramos in Juchitán aufgewachsen, doch Zapotekisch spricht er erst seit kurzem. Ramos wollte verstehen, wovon Juchirap in ihren Liedern singen. Also schnappte er sich ein Wörterbuch und begann Texte zu übersetzen.

Damit die Popularität des Zapotekischen wieder steigt, gibt Juchirap Seminare an Schulen. "Der Hip-Hop hat vielen Kindern und Jugendlichen geholfen, den Mund aufzumachen und ihre Meinung laut zu vertreten." Sie wollen den Schülern zeigen, dass ihre Sprache das Sprechen wert ist.

Cosijopii und Lenin haben nun die Kreuzung zu ihrer Bühne gemacht. Immer mehr Kinder scharen sich um sie. Die Mototaxis bremsen mitten auf der Straße und schalten das Radio aus. Eine Mutter hebt den Arm ihres Säuglings und tanzt zum Beat. "Ladxidua Ripapa", rufen die Rapper in der Sprache ihrer Vorfahren. Ihrer Sprache. "Ladxidua Ripapa – mein Herz schlägt für dich." (Lisa Maria Hagen aus Juchitán, 12.10.2015)