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Das Duell Häupl gegen Strache in Wien hat der Wiener Bürgermeister für sich entscheiden können. Michael Häupl hat sich für Angriff als beste Form der Verteidigung gegen Heinz-Christian Strache entschieden und konnte ein totales Debakel der SPÖ verhindern. Die Formel "Er oder ich" hat wählermobilisierend gewirkt. Ein Zeichen gegen Strache setzen oder diesen verhindern zu wollen: Rund ein Viertel der SPÖ-Wähler gab an, dass dies ihr Hauptmotiv für die Stimmabgabe zugunsten dieser Partei war.

Leihstimmen von den Grünen

Auch ein beträchtlicher Teil von Grünen-Anhängern hat ihr Kreuz diesmal bei der SPÖ gemacht. Die sogenannten taktischen Wähler haben verhindert, dass die FPÖ in Wien Platz eins erobern konnte. Diese Leihstimmen vor allem aus dem Lager der Grünen-Anhänger könnten wahlentscheidend gewesen sein.

Häupl hat das im Wahlkampf dominierende Thema Flüchtlinge außerdem mit klaren Ansagen verbunden. Er hat hier auch eine Duellsituation mit Strache gesucht: für oder gegen Flüchtlinge. Der Rote in Wien nahm sogar ein Zitat der schwarzen deutschen Kanzlerin Angela Merkel auf: "Wir schaffen das."

Der Wiener Bürgermeister hat sich im Gegensatz zu seinem burgenländischen Parteifreund Hans Niessl und dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) in Bezug auf die FPÖ für Abgrenzung statt Anbiederung entschieden. Bei der Wahl in Wien wurde daher auch über die in der SPÖ und ÖVP relevante Gretchenfrage entschieden. "Wie hältst du es mit der FPÖ?"

Vassilakous Manöver

Verlierer der Fokussierung auf das Duell Häupl gegen Strache sind die Grünen. Mit ihrer Ansage, bei einem Stimmenverlust zurücktreten zu wollen, hat sich Grünen-Chefin Maria Vassilakou aber ohne Not selbst in eine schwierige Situation manövriert.

Auch wenn die SPÖ Platz eins verteidigen konnte, kann das nicht über das Ausmaß der Stimmenverluste hinwegtäuschen. Die FPÖ ist im roten Wien noch tiefer in ehemals sozialdemokratische Kernschichten eingedrungen, wie die Ergebnisse in Simmering und Floridsdorf zeigen. Häupl hat das am Wahltag schon erkannt: "Es ist notwendig, die Sozialdemokraten auf neue Zeiten vorzubereiten." Das heißt aber Reformen, vor denen sich insbesondere die satte Wiener SPÖ bisher gedrückt hat.

Neos als Alternative

Die ÖVP ist nur noch im blamablen einstelligen Bereich. Manfred Juraczka hat noch am Wahlabend die Konsequenzen gezogen. Der Umgang mit Ursula Stenzel hat hier auch eine Rolle gespielt, wie die Ergebnisse für die ÖVP im ersten Bezirk zeigen. Aber auch, dass Reinhold Mitterlehner in der Flüchtlingsfrage anders als Häupl keinen klaren Standpunkt eingenommen hat und zwischen den Positionen der CSU und jener von Angela Merkel mäandert, rächt sich. Ein Teil der ehemaligen schwarzen Wähler ist zu den Neos gewechselt, die sich als Alternative profilieren.

Für beide Regierungsparteien im Bund ist dieses Wahlergebnis ein Weckruf und ein Denkzettel – einmal mehr. Viele Wählerinnen und Wähler sind schlicht wütend auf die Politik. Bei allen Urnengängen in diesem Jahr wurde deutlich, sie wollten die Regierenden abstrafen. Der Koalition im Bund wird kaum mehr Problemlösungskompetenz zugetraut. Bei Neuwahlen stünden die Verlierer schon fest.

Vorlage für die FPÖ

Der Andrang von Flüchtlingen und das Missmanagement bei der Verteilung in den vergangenen Monaten waren für die FPÖ eine Vorlage, die sie bewusst nutzte. Die Freiheitlichen schürten Ängste und verstanden, die Stimmen der Enttäuschten und Verunsicherten einzusammeln. Die Regierung hat durch Nichtinformation dazu beigetragen.

Für viele Wähler scheint es zu reichen, dass sich Freiheitliche auf Kritik beschränken, ohne sachpolitische Vorschläge zu machen. Es gilt wieder einmal: Wer in Österreich unzufrieden ist und protestieren will, wählt rechts. (Alexandra Föderl-Schmid, 11.10.2015)