Barbara Würingerien – Einen entscheidenden Hinweis über die evolutionäre Entwicklung der Zähne hat ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung gefunden. Im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B" veröffentlichte Analysen eines fossilen Sägerochens zeigen, dass dessen Kieferzähne nicht von Schuppen am Körper abstammen, also nicht von außen in den Kiefer "eingewandert" sind.

"Die Entwicklung der Zähne ist eines der Highlights der Evolution der Wirbeltiere", erklärte Jürgen Kriwet von der Universität Wien und Koautor der Studie. Sägerochen und Sägehaie verfügen nicht nur über Zähne im Kiefer, ihre verlängerte Schnauze ist auch mit sogenannten Sägezähnen bestückt. Bisher gingen viele Wissenschafter davon aus, dass sich beide Zahn-Arten aus Schuppen entwickelt haben.

Der Zwergsägerochen "Pristis clavata" lebt vor der tropischen Küste Australiens.
Foto: Barbara Würinger

Zahnartige Schuppen

Nach dem Auftreten der ersten Wirbeltiere vor etwa 560 Mio. Jahren haben sich vor ungefähr 470 Mio. Jahren die Kiefer entwickelt. Dann gab es vorerst Tiere mit Kiefer, aber ohne Zähne. Wann und wie die Zähne dann genau entstanden sind und was überhaupt Zähne sind, sei eine der großen Kontroversen, so der Paläontologe.

Typisch für frühe Wirbeltiere wie etwa Panzerfische, die vor ungefähr 400 Mio. Jahren auftraten, waren Schuppen auf der Körperoberfläche, die Zähnen im Aufbau ähnlich sind. "Die klassische Theorie ist daher, dass sich aus diesen Strukturen die Zähne entwickelt haben – sie also von außen in den Kiefer eingewandert sind", so der Wissenschafter.

Manche Fische, etwa die heutigen Karpfen, haben aber auch zahnartige Strukturen auf ihren Kiemenbögen weiter hinten im Rachen. Es gab daher auch Überlegungen, dass die Zähne von hinten im Rachenraum nach vorne gewandert sind.

Fossiler Sägerochen

Unter den heutigen Wirbeltieren sind Knorpelfische wie Haie und Rochen die urtümlichsten noch lebenden Vertreter, "die definitiv echte Zähne haben". Daher sind sie für Paläontologen besonders interessant. Das gilt besonders für Sägefische mit ihren beiden Zahn-Arten.

In Marokko wurden vor kurzem Fossilien einer Sägerochen-Art (Schizorhiza stromeri) gefunden, die etwa 60 Mio. Jahre alt sind. Der Fund sei ein glücklicher Zufall gewesen, da sich hier Strukturen erhalten haben, die es bei heute lebenden Vertretern nicht mehr gibt, so Kriwet. Sieht man sich nämlich heutige Sägerochen an, sehen die Säge- den Kieferzähnen sehr ähnlich, was als Hinweis für das Einwandern der Zähne von außen gewertet wurde.

A: Fossiler Sägerochen (Schizorhiza stromeri) aus Marokko; B: Übereinander und verschachtelt liegende Zähne von Schizorhiza stromeri.
Foto: Institut für Paläontologie, Universität Wien

Zahnbildung von innen

Die neue Fossilien-Analyse ergab jedoch ein anderes Bild: Das österreichisch-britische Team fand dort nämlich große Unterschiede. "Wir können daher sagen, dass die zahnähnlichen Hautschuppen sicher nicht über den Umweg der verlängerten Schnauze in den Kiefer eingewandert sind. Es scheint wahrscheinlicher, dass dieser Prozess von innen abgelaufen ist", sagt der Forscher.

Da es sich bei den Sägefischen um eine urtümliche Tiergruppe handelt, könne man annehmen, dass diese Erkenntnis für alle Wirbeltiere gilt. "Wir haben zwar jetzt diese klaren Hinweise, nur fehlt uns noch das Fossil, das uns klar zeigt, dass die Zähne tatsächlich von innen in den Kiefer gewandert sind." (APA, red, 18.10.2015)