Haben Sie schon einmal Mikrotransaktionen in einem Game in Anspruch genommen?

Foto: Rise of the Tomb Raider

60 Euro sind für die meisten Konsumenten viel Geld, darüber lohnt es nicht zu streiten. Wahr ist aber auch, dass dieser Basispreis von so genannten AAA-Spielen für PC und Konsole in den vergangenen Jahrzehnten nicht gestiegen ist. Inflationsbereinigt kostete ein N64-Game damals sogar deutlich mehr als ein PS4-Spiel heute.

Gleichzeitig sind hingegen die Produktionskosten für Blockbuster ob immer aufwendigerer Inszenierungen massiv in die Höhe geschnellt. Um diese Schere zu schließen, peilen die Hersteller einerseits ein zunehmend breiteres Publikum an, und bedienen sich andererseits ausgefeilter neuer Vermarktungstechniken, die zusätzliche Einnahmen am Basispreis vorbeischleusen.

Lukrative Cent-Beträge

Download-Content (DLC) in Form von umfangreicheren Spielerweiterungen oder Map-Packs muten dabei fast schon archaisch an. Der neueste Schrei wurde vom Mobile-Gaming-Markt und Free2Play-Werken entliehen und ist allgemein als "Mikrotransaktionen" bekannt. Diese umfassen deutlich kleinere Angebote zu wenigen Euro- oder gar Cent-Beträgen, die oftmals nur optional für jene Spieler angepriesen, die keine Zeit oder Lust haben, jedes dieser Boni selbst freizuspielen:

Im Shooter "Destiny" beispielswiese lassen sich zusätzliche Kommunikationsgesten (Emotes) für (gar nicht so) wenig Geld erwerben. In "Rise of the Tomb Raider" kann man für einen Big-Head-Cheat zahlen und in "Halo 5: Guardians" kann man bessere Waffen und Rüstungen erstehen, während man in "Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain" sogar eine Versicherungen gegen den Verlust von Spielfortschritten im Mehrspielermodus abschließen kann. Der reale Gegenwert ist minimal, noch dazu, wenn derartige Features dann vielfach nur zeitlich begrenzt einsetzbar sind.

Unmut unter Kunden

Der Kreativität der Vermarkter werden keine Grenzen gesetzt, solange sie unter Millionen Spielern Konsumenten finden, die sich zahlungswillig zeigen. "Fair enough", könnte man meinen, es wird schließlich niemand gezwungen, für bessere Waffen oder kosmetische Neuerungen reales Geld abzulegen. Dennoch sorgt das Modell zunehmend für Unmut unter Kunden.

Die Bandbreite der negativen Gefühle ist groß: Vom Unbehangen, für 60 Euro nicht alles erwerben zu können, über die Empfindung, es mit gierigen Unternehmen zu tun zu haben, bis hin zu der Einschätzung, in Mehrspieler-Auseinandersetzungen zu unterliegen, weil man nicht das nötige zusätzliche Kleingeld aufbringen kann oder will.

Glücksspielmechanismus

Vor allem aber sorgt die Implementierung von Mikrotransaktionen für Ärger, wenn das Spieldesign extra darauf zugeschnitten wurde und das Erlebnis darunter leidet. Um Kunden Mikrotransaktionen schmackhaft zu machen, koppeln Hersteller gerne Spielfortschritte zunächst an Spielgeld, das man sich verdienen muss. Je länger es dauert, dieses Spielgeld durch die Absolvierung von Missionen oder andere Errungenschaften zu lukrieren, desto schmackhafter wird die Option, dieses Spielgeld einfach per Echtgeld zu erwerben. Die tatsächlichen Kosten für jeden einzelnen Inhalt werden verschleiert, indem die Preise in der Spielwährung ausgeschrieben werden. Und damit Spieler aus Frust nicht einfach das Interesse an diesem System verlieren, wenden die Entwickler psychologisch ausgeklügelte Belohnungszyklen und Mechanismen an, die an Lotteriemethoden erinnern.

So erwirbt etwa im neuen "Halo" oder "Tomb Raider" nicht einfach ausgewählte Gegenstände, sondern unterschiedlich wertvolle Pakete, die zufällig befüllt werden. Ein Konzept, das bereits äußerst gewinnbringend beim Free2Play-Sammelkartenspiel "Hearthstone" zum Einsatz kommt. Mit jedem Kauf, ob mit Realgeld oder Spielgeld, besteht die Hoffnung auf das große Los. Eine Metaebene, die einen im Spiel zocken lässt und mit jedem Mal das Belohnungssystem aktiviert. Dopamine und schließlich Endorphine werden den Spielern zum Verhängnis und lassen sie entweder Stunden lang nach neuen Items "grinden", wie es in der Fachsprache heißt, oder gleich zum Scheckbuch greifen.

Euphemismus

"Mikrotransaktionen" werden so zu einem Euphemismus für ein in Summe sehr lukratives Geschäftsmodell, das längst nicht mehr nur Spieler von Web- und Mobile-Games lockt und plagt, sondern heute auch zunehmend droht, den Spaß an traditionellen PC- und Konsolenspielen zu verderben.

Aus Sicht der Hersteller ist dies gewiss ein legitimer Ansatz. Irgendwie müssen steigende Kosten wieder eingespielt werden. Und diese vermeintlichen Kleinausgaben sichern das Geschäft, nach dem Kunden bereits den vollen Preis für die Eintrittskarte beglichen haben.

Nachvollziehbares Geschäftsdenken steht dabei kundenfeindlichen Marketingschachzügen gegenüber. Wie weit Konzerne dabei gehen dürfen, können letztlich Konsumenten mit ihren Kaufentscheidungen nur selbst bestimmen. (Zsolt Wilhelm, 18.10.2015))