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Nicht nur die Ionenkanäle sind für das Empfinden von Berührungen verantwortlich. Ebenso wichtig ist die umgebende Zellmembran selbst, sagen Forscher der Universität Tübingen.

Foto: AP/Richard Drew

Tübingen – Von allen fünf Sinnen weiß die Wissenschaft am wenigsten über den Tastsinn. – Obwohl das zugehörige Sinnesorgan, die Haut, unsere gesamte Körperoberfläche bedeckt. Ein Druck, ein Ziehen, ein Stechen, ein Reiben – so kann man Empfindungen des Tastsinns beschreiben. In gesteigerter Form bedeutet das Schmerzen.

In der Zellmembran eines Neurons, das Berührungsreize weiterleitet, einem sogenannten Mechanorezeptor, bewirkt eine mechanische Berührung einen elektrischen Impuls im Gehirn. Wie dies aber genau geschieht, und welche biochemischen und biophysikalischen Mechanismen dabei wirken, war bislang unklar.

Seit den 1980er-Jahren ist zumindest bekannt, dass Ionenkanäle dabei eine große Rolle spielen: Die Verformung der Nervenzelle regt zugleich bestimmte Proteine an, die wie ein Kanal quer durch die Zellmembran verlaufen. Die Verformung öffnet diesen Kanal für eine bestimmte Ionensorte, die in die Nervenzelle gelangt und dort einen elektrischen Impuls auslöst.

Zusammenwirken von Cholesterin und STOML3

Jing Hu vom Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen und ihr Team konnten nun zeigen, dass dies nicht alles ist: Ebenso wichtig wie die Ionenkanäle ist die umgebende Zellmembran selbst. Ist diese weich, gibt sie einem Druck leicht nach, und kein Impuls wird ausgelöst. Ist sie dagegen steifer, dann reagieren die umgebenden Ionenkanäle stark auf Verformung.

Das Verhalten der Zellmembran wird dabei von zwei Substanzen kontrolliert. Neben dem Molekül Cholesterin spielt auch das "Stomatin-artige Protein-3", kurz STOML3, eine entscheidende Rolle spielt – zumindest im Mausmodell. Die Forscher konnten zeigen, dass bei Berührungen das Zusammenwirken von Cholesterin und STOML3 eine Versteifung erzeugt, die eine Aktivierung der umgebenden Ionenkanäle ermöglicht.

Fällt eines der beiden "Puzzleteile" weg, oder wird ihre Reaktion gestört, wird auch kein Reiz wahrgenommen. Möglicherweise ist dieser entdeckte Mechanismus auch für Schmerzpatienten relevant: Wenn die Medikamentenentwicklung hier angreift, könnten sogar Patienten mit Allodynie – für die selbst leichteste Berührungen schmerzhaft sind – davon profitieren, hoffen die Forscher. (red, 13.10.2015)