Jerusalem – Die israelische Polizei hat als Reaktion auf die jüngste Gewalteskalation damit begonnen, arabische Viertel in Ostjerusalem abzuriegeln. Seit Mittwochfrüh wurden zusätzliche Kontrollpunkte am Rand der palästinensischen Ortsteile errichtet, teilte eine Polizeisprecherin mit.
Das israelische Sicherheitskabinett hatte zuvor zusätzliche Maßnahmen beschlossen, um eine seit Monatsbeginn anhaltende Anschlagsserie zu beenden. Die Gewalt in Jerusalem und im Westjordanland ging jedoch unvermindert weiter, erneut wurden Menschen getötet.
Erneut zwei Attentäter erschossen
Eine Serie von Messerattacken hat seit dem 3. Oktober Schrecken in Israel und im besetzten Ostjerusalem verbreitet. Am Mittwoch erschossen Polizisten in Jerusalem zwei Attentäter. Einer der Männer war nach Polizeiangaben am Damaskus-Tor, das ins muslimische Viertel der Jerusalemer Altstadt führt, mit einer Stichwaffe auf einen Wachmann zugelaufen. Der Angreifer wurde erschossen, bevor er zustechen konnte. Später stach ein weiterer Angreifer am Busbahnhof von Jerusalem mit einem Messer auf eine rund 70-jährige Frau ein und verletzte sie. Auch er wurde von einem Polizisten erschossen.
Damit wurden seit Monatsbeginn bereits 31 Palästinenser bei Anschlägen oder Protestaktionen getötet. Im gleichen Zeitraum starben sieben Israelis bei Attentaten. Die meisten Attentäter kamen aus arabischen Vierteln Ostjerusalems. Erst am Dienstag hatten zwei Attentäter in einem Linienbus neben Messern auch eine Schusswaffe eingesetzt und zwei Passagiere getötet. Zudem starb ein Rabbiner, als ein Palästinenser in einem ultraorthodoxen Viertel mit seinem Auto eine Bushaltestelle rammte und danach auf die Verletzten einstach.
Das Sicherheitskabinett ermächtigte deshalb in der Nacht auf Mittwoch die Polizei, die arabischen Viertel in Ostjerusalem im Fall von Spannungen abzuriegeln oder eine Ausgangssperre zu verhängen. Das ist jedoch nur eine der neuen Maßnahmen, die das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekanntgab: Für Israelis werden die Waffengesetze gelockert, in Bussen in Jerusalem sollen 300 zusätzliche Wachleute eingesetzt werden. Sechs Armeekompanien werden der Polizei unterstellt, um vor allem die Überwachung der Sperranlage zum Westjordanland zu verstärken.
Wohnhauszerstörung
Die Wohnhäuser von Attentätern sollen künftig binnen 72 Stunden zerstört und an ihrer Stelle keine neuen Bauten erlaubt werden. Den Tätern soll zudem der sogenannte Residentenstatus entzogen werden, die Aufenthaltsgenehmigung für die meisten Palästinenser in Ostjerusalem. Nach Angaben von Innenminister Silvan Shalom laufen bereits entsprechende Verfahren gegen 19 Palästinenser.
Wie der Minister für Innere Sicherheit, Gilad Erdan, ankündigte, sollen die Leichen erschossener Attentäter künftig nicht mehr von ihren Familien bestattet werden dürfen. Diese würden bei den Bestattungen "dem Terrorismus huldigen und zu neuen Morden anstacheln".
Zusammenstöße
Auch im besetzten Westjordanland gab es erneut Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. In Bethlehem wurde am Mittwoch ein 28-Jähriger beerdigt, der am Vorabend bei gewalttätigen Protesten erschossen wurde. Nach der Bestattung warfen dutzende Jugendliche Steine und Brandflaschen auf einen Wachturm der israelischen Armee am Stadtrand.
Die Gewaltwelle wird durch einen Streit um den Tempelberg angeheizt. Sie hat Spekulationen ausgelöst, palästinensische Extremisten planten eine neue Intifada. Ein Sprecher der radikalislamischen Hamas erklärte am Mittwoch, der Widerstand fürchte die neuen Maßnahmen nicht. "Die Intifada wird durch Kabinettsbeschlüsse nicht aufgehalten werden", sagte er.
US-Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilten die Attacken, riefen aber auch Israel zur Zurückhaltung auf. Die USA verurteilten die "Terrorangriffe auf israelische Zivilisten" scharf, sagte Kerry. Der US-Außenminister, der einen baldigen Besuch der Region ankündigte, drängte zugleich: "Diese Gewalt und diese Anstachelung zur Gewalt müssen enden." Ban verurteilte die Gewalt beider Seiten und mahnte insbesondere Israel, bei der Abwehr von Angriffen die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Er sei angesichts des "offenbar exzessiven Gewalteinsatzes" durch israelische Soldaten "beunruhigt". (APA, red, 14.10.2015)