Jeder Mensch gibt täglich Millionen Mikroorganismen an seine Umwelt ab – und nimmt ebenso viele auf. Ihr Einfluss auf die Gesundheit wird in einer Reihe von Forschungsprojekten untersucht. Wenig erforscht blieb bisher das Mikrobiom von Frühgeborenen. Um deren Überlebenschancen zu verbessern, wird jetzt das Darm-Mikrobiom der Frühchen von Forschern der Med-Uni Graz ins Visier genommen.

Solange es sich noch im Leib der Mutter befindet, ist der Verdauungstrakt eines Babys so gut wie keimfrei. Bereits wenige Tage nach der Geburt ist sein Darm jedoch die Heimat von Billionen Kleinstlebewesen unterschiedlicher Art, die dort die Nahrung verwerten, Unverdauliches entsorgen und im besten Fall schädliche Keime fernhalten.

Wenig weiß die Wissenschaft noch darüber, wie sich die mikrobielle Gemeinschaft in den ersten Tagen und Wochen zusammenfindet und sich verändert – noch weniger, wie diese Entwicklung bei Frühgeborenen vor sich geht. "Bis dato gibt es für Frühgeborene unter 1.500 Gramm Geburtsgewicht wenig Daten zum Mikrobiom", sagt Berndt Urlesberger von der Klinischen Abteilung für Neonatologie an der Med-Uni Graz.

Auswirkungen auf Gesundheit

Das noch vage Wissen könnte jedoch gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit und die Entwicklung von Krankheiten der Frühgeborenen haben: Werden nützliche Mikroorganismen langfristig ferngehalten, wenn das Leben mit einem nahezu keimfreien Kaiserschnitt beginnt? Wie können Frühgeborene am besten vor der nekrotisierenden Enterokolitis, einer gefürchteten und häufig tödlich endenden Darmerkrankung bei Frühgeborenen, geschützt werden. Wie kann die bisherige Prophylaxe mit Antibiotika und Probiotika verbessert werden? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt der Forschung.

Die Grazer Forscher wollen vorerst in einem Pilotprojekt die Stuhlproben von Kindern, die mit einem Gewicht unter 1.500 Gramm in Graz und Klagenfurt geboren wurden sammeln – beginnend mit dem ersten Stuhl bis zum Ende der zweiten Lebenswoche. Sie sollen hinsichtlich der Diversität und der Veränderung der Zusammensetzung im Verlauf der Zeit untersucht werden. "Mithilfe der Transkriptionsanalyse solle auch eine Aussage darüber getroffen werden, welche Funktionen die Mikroorganismen erfüllen, sagt Forscher Gregor Gorkiewicz.

"Die Kombination aus Antibiotika und Probiotika als Prophylaxe der nekrotisierenden Enterokolitis ist erfolgreich, wir wissen aber nicht genau warum", ergänzt Medizinerin Christine Moissl-Eichinger. Eine größere Folgestudie soll dann ein möglichst optimales Probiotikum zur Prophylaxe der nekrotischen Enterokolitis entwickeln, erläuterte die Mikrobiologin. Von Interesse sei auch, wie sich die jeweils unterschiedlichen Umgebungen des Inkubators ("Brutkasten") auf das Darm-Mikrobiom der Frühchen auswirken. (APA, 14.10.2015)