Ohne allzu große Angst vor dem Übersinnlichen: Mia Wasikowska in "Crimson Peak".

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Wien/Berlin – In seinem kühnen Schauerfilm Crimson Peak schließt der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro (Pan's Labyrinth) gleich mehrere Horrortraditionen kurz. Edith, eine junge Literatin mit Faible für Geistergeschichten, verliebt sich in den mysteriösen Adeligen Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) und folgt ihm, begleitet von seiner Schwester Lucille (Jessica Chastain), in sein marodes Schloss nach England. Inhaltlich erinnert das Melodram an Alfred Hitchcocks Daphne-du-Maurier-Adaption Rebecca. Stilistisch nimmt del Toros in grellen Farbwerten und üppiger Ausstattung schwelgender Film mehr bei der Hammer-Horrorserie sowie bei den italienischen Giallo-Filmen Anleihen. Mia Wasikowska muss als letzter Rettungsanker der Vernunft gegen viele Anfeindungen bestehen.

STANDARD: Haben Sie eine Affinität zum Übersinnlichen? In Jim Jarmuschs "Only Lovers Left Alive" spielten Sie einen Vampir, und in David Cronenbergs Hollywood-Inferno "Maps to the Stars" waren Sie selbst schon eine Art Geist ...

Wasikowska: Sie sind der Erste, der zwischen Crimson Peak und Maps to the Stars Verbindungen zieht – ich bin selbst tatsächlich immer nahe daran zu sagen, dass ich schon einen Geisterfilm gemacht habe! Die meisten fragen mich, ob ich an Geister glaube. Und da antworte ich dann, dass ich an emotionale Geister glaube, die in diesem Film eine eher gruselige Form annehmen. Kurzum: Ja, ich liebe Geistergeschichten!

STANDARD: "Crimson Peak" steht in der Tradition des "gothic horror". Hat Sie da das Genre fasziniert, oder gab mehr Guillermo del Toro den Anstoß, der ja als einer der begabtesten Fantasten des Kinos gilt?

Wasikowska: Vor allem war del Toros visuelle Sprache ausschlaggebend und dass man bei ihm immer sicher sein kann, dass die Geister besonders ungewöhnlich sein werden.

STANDARD: Ist er wirklich so obsessiv mit allen Details? Ich habe gelesen, dass er zu jeder Figur Hintergrundwissen erfunden hat.

Wasikowska: Jede Figur hatte eine Biografie, eine Vorgeschichte, bevor die Handlung des Films einsetzt. Es gab allgemeine und ganz spezifische Details wie den Lieblingsgeruch oder bestimmte Aversionen. Wirklich reizend!

STANDARD: Was war der Lieblingsgeruch von Edith?

Wasikowska: Ich erinnere mich nicht ... (lacht). Aber es war sehr großzügig von Guillermo, sich diese Zeit für die Figuren, für die Schauspieler zu nehmen.

STANDARD: Der Dreh hat sehr lange gedauert – warum eigentlich?

Wasikowska: Fast fünf Monate. Guillermo will wohl seine Vision absichern, er hat viele Takes gedreht. Man kann die Sorgfalt am Ergebnis wirklich sehen, die Kamera ist so anmutig, die Einstellungen schmelzen förmlich ineinander. Mit solchem Stilwillen braucht man Geduld.

STANDARD: Stimmt es, dass das Spukhaus, der zentrale Schauplatz, zur Gänze errichtet wurde?

Wasikowska: Es war sogar dreistöckig, alles wurde in einem Studio in Toronto gebaut. Und es hatte die richtigen Dimensionen. Wir konnten also richtig durchgehen, von der Halle ins Wohnzimmer und weiter in die Küche, auf diesem wabernden Boden. Der Aufzug, mit dem man auf den Dachboden kam, hat auch funktioniert.

STANDARD: In "Crimson Peak" machen auch Ihre Kleider Eindruck. Wie wichtig ist eigentlich das Kostüm, um eine Figur zu erfassen?

Wasikowska: Das ist immer wichtig, auch bei Cronenberg, wo meine Figur einen sehr speziellen Stil hatte. Hier haben sich die Kleider besonders fremd angefühlt, das gibt einem ein Gefühl dafür, wie schrecklich es gewesen sein muss, in dieser Ära eine Frau zu sein. Die Kleider sind so unbequem! Aber die Kostüme sind auch symbolisch: Guillermo und die Kostümbildnerin hatten die Idee, Edith als Schmetterling zu stilisieren und Lucille als Motte.

STANDARD: Edith hat mich an andere Ihrer Parts erinnert: Oft haftet ihnen eine Beiläufigkeit an, etwas Verrätseltes. Sie scheinen nie in ihrer Umgebung geerdet zu sein. Können Sie damit etwas anfangen?

Wasikowska: Eine Ähnlichkeit besteht wohl darin, dass viele meiner Figuren Einzelgängerinnen sind. Vielleicht liegt es daran, dass sie von dem, was sich um sie herum tut, nicht so tangiert werden. Sie kommen ja auch oft in eine Welt, mit der sie nicht sehr vertraut sind. In Crimson Peak muss sich Edith erst sammeln, um auf ihre Situation reagieren zu können. Aber mir ist nicht immer so bewusst, was man in meinen Figuren sieht – ich versuche, mir ein Bild in meinem Kopf zu machen und dieses dann darzustellen.

STANDARD: In gewisser Hinsicht machen diese Eigenschaften Ihre Figuren stärker. Edith erlebt schauerliche Dinge, lässt sich aber gar nicht so sehr davon beeindrucken.

Wasikowska: Ich hatte gegenüber dem Drehbuch am Anfang ja Vorbehalte: Wenn man die zentrale Figur spielt und die Augen des Publikums führt, dann ist die Gefahr, ins Abseits zu rücken, größer als bei einer schillernden Nebenfigur. Guillermo hat darauf geachtet, dass die Figur nicht zu passiv wird. Edith muss erst lernen, dass es nicht die Geister, sondern die Lebenden sind, die ihr größeren Schaden zufügen können. Menschen, denen sie vertraut. So etwas passiert doch oft: Wir beschäftigen uns zu obsessiv mit etwas, das nur in unseren Köpfen existiert, wo es die Realität ist, auf die wir unsere Augen richten sollten.

STANDARD: Gilt das denn auch für Hollywood? Cronenberg hat gemeint, dass sein Zerrbild in "Maps to the Stars" ganz realistisch sei ...

Wasikowska: Es gibt schon ein paar Dinge, die daran großartig sind! Aber es hat einen Grund, dass ich nicht dort lebe. Ich wohne in Australien und kann von Zeit zu Zeit in Hollywood eintauchen. Ich muss es nicht zum Teil meines Alltags machen. So kann ich Distanz finden. Daheim in Australien fühlen sich die Dinge normal an. (Dominik Kamalzadeh, 14.10.2015)