Das erstaunlich gut konservierte Fossil von Spinolestes xenarthrosus enthält Details, die bislang nur von viel jüngeren Säugetieren vorlagen.

Foto: Nature/Georg Oleschinski

So könnte der frühe Säuger zu Lebzeiten ausgesehen haben.

Illu.: Oscar Sanisidro
Illu.: Oscar Sanisidro

Bonn/Wien – Las Hoyas in der ostspanischen Provinz Cuenca macht regelmäßig wissenschaftliche Schlagzeilen. Die feine Kalksteinformation entpuppte sich in den vergangenen Jahrzehnten als regelrechte paläontologische Schatzkammer. Vor allem Funde außerordentlich gut erhaltener Dinosaurierfossilien brachten Details ans Tageslicht, die bis dahin noch völlig unbekannt gewesen waren.

Nun vermeldet ein internationales Forscherteam im Fachblatt Nature eine weitere spektakuläre Entdeckung aus Las Hoyas. Die Wissenschafter um Thomas Martin von der Universität Bonn legten die Überreste eines kleinen Säugetiers frei, das vor 125 Millionen Jahren in der Region lebte. Das allein wäre noch keine Sensation, sind doch vor allem aus Nordostchina mittlerweile zahlreiche Säugetierfossilien aus dem Mesozoikum bekannt. Doch die außergewöhnlichen Bedingungen in Las Hoyas führten zu einer beispiellosen Konservierung des nun beschriebenen Fossils.

Es enthält nämlich Gewebe innerer Organe, einer Ohrmuschel sowie detailreiche Überreste des Fells und der Haarzellen – ein neuer Rekord: Diese Überbleibsel übertreffen die bislang ältesten vergleichbaren Funde um ganze 60 Millionen Jahre. "Es sind zum Beispiel Haare auf zellulärem Niveau erhalten, wir sehen also einzelne Haarzellen und den anatomischen Aufbau der Haare", sagte Martin im Gespräch mit dem STANDARD.

Stacheliger Räuber

Die genauere Analyse offenbarte, dass das etwa 24 Zentimeter lange und 50 bis 70 Gramm schwere Tier bemerkenswert moderne Follikelstrukturen aufwies und sich die Haare am Rücken zu kleinen Stacheln verdickten. Diese wahrscheinlich der Verteidigung dienende Eigenheit verhilft dem mutmaßlichen Insektenfresser nun posthum zu seinem Namen: Spinolestes xenarthrosus, auf Deutsch stacheliger Räuber. Ähnlich wie heutige Igel oder Stachelmäuse könnte der kleine Säuger versucht haben, sich damit vor seinen Fressfeinden zu schützen.

Der ebenfalls vorliegende Abdruck der vergleichsweise großen Ohrmuschel samt Geweberesten lasse wiederum vermuten, dass das Tier einen ausgeprägten Gehörsinn hatte. "Man kann indirekt darauf schließen, dass es wohl nachtaktiv war und eher den Gehörsinn bevorzugte als den Gesichtssinn – so wie heutige Kleinsäugetiere auch", so Martin.

Wuchernde Bakterien

Die Paläontologen fanden zudem deutliche Hinweise auf Dermatophytose, eine Pilzerkrankung der Haut, die auch unter heutigen Säugetieren weitverbreitet ist. Genaueres sollen weiterführende biochemische Analysen zeigen. Doch wie ist es überhaupt möglich, dass S. xenarthrosus über 125 Millionen Jahre derartig gut erhalten blieb?

"Die Region ist ein Sumpfgebiet gewesen, da haben wahrscheinlich Bakterienmatten eine große Rolle gespielt", sagte Martin. Das Tier dürfte unmittelbar nach dem Tod bakteriell regelrecht überwuchert worden sein. Und bevor die Weichteile verwesen konnten, wurden sie mineralisiert. (David Rennert, 15.10.2015)