Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sein am Mittwoch präsentiertes Budget für das Jahr 2016 gegen Kritik der Opposition verteidigt. Er verwies am Donnerstag im Nationalratsplenum etwa auf die Einschätzung von Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller: Diese habe gesagt, wenn die Gegenfinanzierung der Steuerreform greife, sei das "solide finanziert".

Auch betonte der Finanzminister gegenüber Zweiflern am Ziel des strukturellen Nulldefizits, dass es diese Zweifel auch schon 2014 gegeben habe – und dann sei das strukturelle Nulldefizit (wie auch 2015) dennoch geschafft worden. Und dies werde auch 2016 funktionieren.

Zur Kritik des Grünen Budgetsprechers Bruno Rossmann, der gemeint hatte, die EU-Kommission werde das Herausrechnen der zusätzlichen Flüchtlingskosten aus dem strukturellen Defizit nicht akzeptieren, sagte Schelling, Rossmann solle sich nicht als "Wahrsager" herstellen. Man müsse mit der Kommission diesbezüglich harte Gespräche und Verhandlungen führen – "warten Sie auf das Ergebnis".

Grundsätzlich merkte der Ressortchef an, er verstehe Kritik der Opposition in vielen Bereichen. "Aber die Oppositionsvorschläge sind nicht geeignet dafür , dass es ein anderes Budget gegeben hätte als das, was ich gestern vorgelegt habe."

Steuerreform bringt nur kurzen Lohnsteuer-Knick

Die Steuerreform wird 2016 zwar für einen deutlichen Lohnsteuer-Rückgang um 2,2 Milliarden Euro sorgen. Allerdings werden Beschäftigungszuwachs und "kalte Progression" den Rückgang bereits 2018 wieder ausgeglichen haben, wie aus den Prognosen des Finanzministeriums hervorgeht. Schelling will die schleichende jährliche Steuererhöhung daher abschaffen.

Wie aus Unterlagen des Finanzministeriums zu Budget und Finanzrahmen hervorgeht, werden die Lohnsteuereinnahmen im Jahr der Steuerreform um 2,2 Milliarden Euro sinken: Von für heuer erwarteten 27 Milliarden Euro (das ist etwas weniger als ursprünglich budgetiert) auf 24,8 Milliarden Euro. Damit sinken die Einnahmen wieder unter die Umsatzsteuer, die 2014 von der Lohnsteuer überflügelt und damit erstmals als größte Einzelsteuer abgelöst wurde.

In den Folgejahren werden die Lohnsteuereinnahmen allerdings (zumindest nominell) rasch wieder auf das heurige Niveau ansteigen: Für 2018 erwartet das Finanzministerium bereits wieder 27,4 Milliarden Euro, für 2019 29,2 Milliarden Euro.

Ein Grund dafür ist (neben anderen Gründen wie dem Beschäftigungszuwachs) die "kalte Progression". Dieser Effekt entsteht, wenn Arbeitnehmer durch die jährlichen Lohnerhöhungen mehr verdienen, somit in höhere Steuerklassen vorrücken und mehr Steuern zahlen.

Weg mit der versteckten Steuererhöhung

Bisher wurde dieser Effekt durch regelmäßige Steuerreformen ausgeglichen. Schelling hat nun allerdings die – auch von ÖGB und Arbeiterkammer geforderte – Abschaffung dieser versteckten Steuererhöhung angekündigt. Greifen soll die Reform, wie der Minister im Standard bekräftigt, "wenn die Entlastung durch die Steuerreform vom Effekt der kalten Progression wieder aufgefressen ist – also 2017 oder 2018". Kosten soll das seinen Angaben zufolge 400 Millionen Euro pro Jahr.

Die genauen Kosten werden freilich vom gewählten Modell abhängen, wie der Budgetdienst im Parlament in einem Vergleich bisher vorliegender Berechnungen festgestellt hat: Werden nur die Steuersätze an die Inflation angepasst, fallen geringere Kosten an. Werden auch alle Frei- und Absetzbeträge indexiert, kostet die Abschaffung mehr. Ein konkretes Modell hat Schelling noch nicht vorgelegt, im Sommer war von einem Beschluss 2016 die Rede.

Modellrechnungen zur "kalten Progression" hat unter anderem die Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung durchgeführt. Sie verweist darauf, dass die Kosten wesentlich auch vom Zeitpunkt der Abschaffung abhängen. Die höchsten Kosten hätte demnach die Abschaffung schon im Jahr der Steuerreform zur Folge: "Mit jedem Jahr, mit dem die kalte Progression später abgeschafft wird, reduzieren sich jedoch die Kosten für den Finanzminister, weil als Referenz das Vorjahr und nicht das Jahr der Steuerreform herangezogen wird."

Enttäuschte NGOs

Die Stagnation der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit – zumindest für die direkte Projekthilfe – hat bei den heimischen entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen für Enttäuschung und Kritik gesorgt. Gerade jetzt sei es wichtig, Hilfe für die Menschen in ihren Herkunftsländern zu leisten, damit sie nicht gezwungen sind, diese zu verlassen, so der Tenor am Donnerstag.

Alle Organisationen forderten deshalb die öffentliche Vorlage des bereits für Sommer angekündigten Stufenplans, mit dem die Regierung die Erhöhung des Entwicklungshilfebudgets auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 erreichen will. Derzeit liegt der Anteil bei lediglich 0,26 Prozent. Für 2016 sollen die Mittel laut Budget in etwa gleich bleiben. Inflationsbereinigt handelt es sich aber freilich um eine reale Kürzung.

Für die Allianz "Wege aus der Krise" war die Präsentation des Staatshaushalts abermals Anlass, ein Gegenkonzept zu entwerfen: Das "zivilgesellschaftliche Zukunftsbudget 2016" legt Augenmerk auf Klimaschutz, Armutsbekämpfung und die Gleichstellung von Frauen. Die Republik könnte mit diversen Maßnahmen zusätzliche Steuereinnahmen von 1,4 Milliarden Euro lukrieren, hieß es am Donnerstag.

Die Initiative setzt sich zusammen aus Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Attac, Armutskonferenz, GdG-KMSfB, Global 2000, GPA-DJP, Greenpeace, Kabö, ÖH, Pro-Ge, SOS Mitmensch und Vida. Bereits zum fünften Mal stellte das Bündnis sein "Zukunftsbudget" vor. In den vergangenen Jahren seien Forderungen umgesetzt worden, wie höhere Steuern auf manche Kapitaleinkommen, berichtete Alexander Pollak von SOS Mitmensch. (APA, 15.10.2015)