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Hütter und YB, eine Beziehung, die vielversprechend begann.

Foto: EPA/LUKAS LEHMANN

Bern/Wien – Sich im positiven Sinne selbst zu überraschen hat noch keinem Menschen geschadet, schon gar keinem Fußballtrainer. "Ich bin erstaunt, dass es gleich so gut funktioniert. Das Puzzle ist aber noch lange nicht fertig", sagt Adi Hütter im Gespräch mit dem STANDARD. Seit einem Monat ist der 45-Jährige verantwortlich für die Young Boys Bern, seine Bilanz: vier Siege in der Meisterschaft, einer im Cup. Das Schweizer Fernsehen überschlug sich nach einem dramatischen 4:3-Erfolg über das Maß aller fußballerischen Dinge in der Schweiz, den FC Basel, geradezu mit Lobeshymnen auf Hütter. Eine klare Handschrift sei bereits zu erkennen.

Bern, das ist eine Beamtenhochburg, gemütlich, die ökonomischen Turboachsen verlaufen anderswo, zwischen Zürich und Basel oder Genf und Lausanne. Dafür gibt es in Bern viel Fußballtradition, im Schnitt pilgern 20.000 Zuseher zu Heimspielen der Young Boys. In der Stadt wird Hütter erkannt. "Die Leute sind dankbar, dass wir wieder gewinnen – und nach vorn spielen."

Es ist Hütters erster Trainerjob im Ausland. So ehrgeizig, wie der Vorarlberger kickte, begann er auch seine Trainerkarriere. Im Herbst seiner Spielerlaufbahn marschierte der damals 35-jährige Hütter mit den Red Bull Juniors bis in die Erste Liga durch, ehe er nahtlos den Trainerposten übernahm. Was Hütter später mit Altach dreimal knapp verwehrt blieb, gelang ihm mit Grödig 2012 auf Anhieb – der Aufstieg in die Bundesliga. Der Dorfklub überraschte dort mit hemmungslosem Offensivfußball und beendete die erste Saison auf Platz drei. Nichts anderes lässt Hütter in Bern exerzieren. "Nach vorn verteidigen, Gegenpressing. Ich stehe für Offensivfußball."

Anfang August entließ der Klub Trainer Uli Forte, in der Champions-League-Qualifikation wurde man von AS Monaco gedemütigt (gesamt 1:7), in der Meisterschaft kam man nicht auf Touren. Mit dem Out in der Qualifikation zur Europa League gegen Karabach Agdam aus Aserbaidschan war auch Interimstrainer Harry Gämperle Geschichte. Hütter hat versucht, einer verunsicherten Mannschaft, die am Boden lag, die Hand zu reichen und ihr aufzuhelfen. "Das ist gelungen."

Auch Bern bildet aus

Seinen Abgang aus Salzburg, wo er in der Vorsaison das Double holte, sieht er nicht als Bruch in seiner Trainerbiografie. "Weil ich das selbst entschieden habe." Über den Verein, den schwedischen Schicksalsort Malmö und den Spielerexodus will Hütter nicht mehr reden. Sein Statement, er wolle kein Ausbildungstrainer sein, hatte in Salzburg im Nachhinein für Kritik gesorgt. Zuletzt schickte Hütter bei den Young Boys im Spitzenspiel gegen die Grasshoppers sechs U21-Spieler aufs Feld. Unter dem Strich, sagt er, mache es die Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern aus, Erfahrung wird in Spielen gemessen. Hütter erwähnt Salzburg-Verteidiger Martin Hinteregger. "Der hat als 23-Jähriger schon 160 Liga- und 50 Europacup-Spiele auf dem Buckel. Man muss nicht alt sein, um routiniert zu sein und clever zu spielen."

Die Schweizer Super League hält Hütter für professionell. Es gibt mit Basel ähnlich wie in Österreich mit Salzburg einen Verein, der budgetär über allen anderen steht. Bern und Zürich vergleicht Hütter mit Rapid und Austria. "Die Dichte ist höher als in der Bundesliga." Bern hat mehr Zuseher als Rapid, "aber viele Leute in Österreich wissen gar nicht, wie groß und traditionsreich dieser Verein ist".

Adi Hütter stammt aus Altach. Mit dem Schwyzerdütsch hatte er im Gegensatz zu Aleksandar Dragovic, der einst bei Basel kickte, von Beginn an kein Problem. "Ich verstehe sie, sie verstehen meinen Vorarlberger Dialekt. Wir haben viele mehrsprachige Spieler." Bisher wohnte Hütter im Hotel, in diesen Tagen zieht er in eine Wohnung um.

Die große Sehnsucht

Über sich selbst und seine Qualitäten spricht Adi Hütter ungern. "Das sollen andere tun." Er will Fakten sprechen lassen. Nach vier Spielen wurde der Rückstand auf Basel von zwölf auf sieben Punkte verkürzt. In Bern wartet man seit 29 Jahren auf einen Meistertitel. Die Sehnsucht ist groß, allerdings ist Basel quasi abonniert auf Platz eins. Laut Hütter soll der Titelkampf nicht so fad werden wie in Deutschland. Auf die Erfolge von Ralph Hasenhüttl in Ingolstadt und Peter Stöger in Köln ist Hütter "unheimlich stolz". "Es steckt viel Potenzial in der österreichischen Trainerausbildung. Wir müssen uns nicht verstecken."

Die deutsche Bundesliga als Ziel auch für Hütter? "Nicht zwei Schritte vorausdenken", gibt er zurück, "sondern lieber hier und jetzt gut arbeiten."

Als Spieler hat Hütter seine Komfortzone nie verlassen. Obwohl einmal ein Angebot von 1860 München lockte. Hütter war Kapitän in Salzburg, dirigierte im zentralen Mittelfeld. "Ich habe mich pudelwohl gefühlt. 1860 hätte mich als Libero gebraucht. Im Nachhinein habe ich es bereut, dass ich mich nicht getraut habe. Als Trainer wollte ich nicht, dass mir das noch einmal passiert." (Florian Vetter, 16.10.2015)