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Politik ist nicht weniger wichtig, nur weil sie in Brüssel entschieden wird.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Die Rolle nationaler Parlamente in der Europäischen Union hat sich in den vergangenen Jahren zu einem heißen Thema in der Diskussion über die demokratische Legitimation der EU entwickelt. Allerdings erschöpft sich das Potenzial nationaler Parlamente, zum "guten Funktionieren der EU beizutragen" (Art. 12 TEU), nicht allein in der Kontrolle europäischer Politik – mindestens ebenso wichtig ist parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit. Transparenz und Öffentlichkeit sind Grundpfeiler jeder Demokratie, aber von besonderer Bedeutung für die EU, in der die Intransparenz europäischer Entscheidungsprozesse schon lange als Grundproblem der demokratischen Legitimation diskutiert wird. Hier können nationale Parlamente entscheidend dazu beitragen, politische Prozesse für ihre Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen.

Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit sollte jedoch nicht als "Werbung für europäische Politik" oder gar als "PR für die EU" missverstanden werden. Kommunikation bedeutet vielmehr Information und öffentliche politische Debatte über Entscheidungen, die auf der europäischen Ebene gefällt werden, aber nichtsdestotrotz die Bürgerinnen und Bürger zu Hause direkt betreffen. Politik ist ja nicht weniger wichtig, nur weil sie in Brüssel entschieden wird und nicht in Wien. Wie sehr die EU Einfluss auf ihr Leben nimmt, erleben Europas Bürgerinnen und Bürger nicht zuletzt im Zuge der Eurokrise.

EU-Aktivitäten transparent machen

Am Institut für Höhere Studien wird deshalb in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt untersucht, ob nationale Parlamente durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit ihren Bürgerinnen und Bürgern die EU näherbringen. Tatsächlich bemühen sich alle untersuchten Parlamente, Öffentlichkeit für ihre EU-Aktivitäten herzustellen, indem sie EU-Ausschusssitzungen öffnen, Protokolle, Webstreams oder Zusammenfassungen der Sitzungen veröffentlichen und Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu parlamentarischen und externen (EU- und Regierungs-)Dokumenten ermöglichen.

Das sind natürlich zunächst einmal gute Nachrichten. Allerdings ist fraglich, ob damit auch wirklich eine breite Öffentlichkeit erreicht werden kann, vor allem dann, wenn diese Dokumente oder Hintergrundinformationen nicht aufbereitet oder leicht zugänglich sind. So lobenswert diese Bemühungen sind, die Suche nach und das Durcharbeiten von eher technischen Dokumenten zur EU-Politik sind ja keine sehr attraktiven Freizeitbeschäftigungen. Besonders hilfreich sind hier die ausführlichen Zusammenfassungen der Ausschusssitzungen im Nationalrat, die wesentliche Informationen viel besser und schneller vermitteln als lange Protokolle.

... nicht nur für Spezialisten

Um ihren Internetauftritt effektiver zu gestalten, sollten Parlamente aber vor allem eine gebündelte Seite zu EU-Angelegenheiten einrichten und sicherstellen, dass Informationen nicht nur für Spezialisten, sondern auch für die breite Öffentlichkeit aufbereitet werden. Dafür bieten die Internetseiten der Assemblée Nationale oder des polnischen Sejm eine gute Vorlage. Beide bieten nicht nur Links zu praktisch allen parlamentarischen EU-Dokumenten und -Aktivitäten, sondern auch Hintergrundartikel oder Verweise zu anderen relevanten Internetseiten. Die Internetseite des Sejm bietet sogar ausführliche Hintergrundinformationen zu EU-Politikbereichen, Links zu Onlinezeitungen, Forschungseinrichtungen und aktuellen wissenschaftlichen Artikeln zum Thema nationale Parlamente in der EU. Daran kann man sich ein Beispiel nehmen.

Auch bei der parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit im Plenum, das heißt bei EU-Plenardebatten oder mündlichen Anfragen, unterscheiden sich die untersuchten Parlamente ganz wesentlich. Mit einem Anteil an EU-Themen von etwas über zehn Prozent der gesamten Debattenzeit gehört der Nationalrat schon zu den aktiveren Parlamenten, im Durchschnitt sind es nur sieben Prozent. Dass dabei vor allem die Wirtschafts- und Währungspolitik in den vergangenen Jahren eine große Rolle gespielt hat, überrascht angesichts der Eurokrise kaum.

Politische "Alltagsthemen"

Nationale Parlamente sollten sich noch stärker bemühen, nicht nur über die Veröffentlichung von Dokumenten Transparenz zu schaffen, sondern auch über politische Kommunikation den Bürgerinnen und Bürgern unterschiedliche Positionen zu vermitteln und ihnen so die Teilhabe an EU-Politik zu ermöglichen. Dafür sollten nationale Parlamente auch politische "Alltagsthemen" der EU berücksichtigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das im August 2015 in Kraft getretene, jedoch klar begrenzte Rederecht für Europaabgeordnete im Nationalrat. Ob sich damit verbundene Hoffnungen auf eine engere Verzahnung von nationaler und europäischer Politik sowie eine größere Sichtbarkeit für europäische Themen in Österreich erfüllen, wird sich allerdings noch zeigen müssen.

Abgeordnete klagen gerne über die vermeintliche Apathie in der Bevölkerung gegenüber der EU-Politik sowie das mangelnde Interesse der Medien an parlamentarischer Beteiligung an europäischer Politik. Wird EU-Politik in nationalen Parlamenten nicht kontrovers diskutiert und damit zum Gegenstand des Parteienwettbewerbs gemacht, ist allerdings auch kaum mit Interesse der Medien oder der Bürgerinnen und Bürger zu rechnen. Der britische Politologe Simon Hix hat Politik einmal als eine glorifizierte Seifenoper mit wöchentlichen Folgen voller Konfrontation und Intrigen zwischen lebhaften – oder manchmal langweiligen – Persönlichkeiten bezeichnet. Für diese Oper ist das Plenum die wichtigste Bühne. (Katrin Auel, 19.10.2015)