Es muss ja nicht immer Gopro sein. Aber mit Kameras ist das ähnlich wie mit Smartphones, Autos und Sportuhren: Prägung macht da eine Menge von dem aus, was der Nutzer – oder die Nutzerin – dann als "gut" oder "praktisch" empfindet.

Obwohl: Bei Actioncams muss das gar nicht stimmen. So nervt mich – zum Beispiel – der seitlich an den Kameras vom Marktführer Gopro angebrachte und über die Settings nicht deaktivierbare Wifi-Einschaltknopf unendlich. Ich bin nicht der Einzige, der regelmäßig flucht, wenn da blödes Anstreifen in der Tasche – auch bei ausgeschalteter Kamera – das Wifi aktiviert und man dann eine Kamera mit leerem Akku in der Hand hat. Aber: Hindert dieser "Bug" irgendeinen Gopro-sozialisierten User, auch beim nächsten Modell wieder Markentreue zu zeigen? Mitnichten.

Foto: Thomas Rottenberg

Dementsprechend skeptisch war das "schaumamal" in meinem Kopf, als im September die Virb XE von Garmin vor mir lag: Die Kamera war ab April in diversen Fachmagazinen und Blogs angekündigt worden – und wie stets bei technischen Spielereien, hatten viele Kollegen das Abschreiben des Produktblattes gleich wie einen Test klingen lassen. Nur die wenigsten – etwa "Chip" oder das Bikesport-Magazin – erwähnten, dass die Kamera erst im Sommer in den USA auf den Markt kommen würde und zum Start in Europa noch keine Angaben vorlägen.

Egal. Im September lag die schwarze Virb XE also vor mir – und sah auf den ersten Blick klobiger und massiver als die "klassische" Gopro (Hero 3 und 4) aus. Aber das täuscht – und ist der schwarzen Hülle geschuldet: tatsächlich ist die Cam von Garmin sogar eine (klitzekleine) Spur kleiner als die technisch vergleichbaren Gopros in ihren Hüllen. Und liegt – subjektiv – besser in der (hohlen) Hand. Freilich: In der Hand halten nur die Wenigsten eine Actionam – aber ich bin Teil dieser Minderheit.

Garmin Virb XE und Gopro im Vergleich.
Foto: Thomas Rottenberg

Die Verwendung der Virb ist deppensicher, die Basisfunktionen (Ein/Aus, Video/Foto) hat auch ein technisches Nackerbatzel wie ich in zehn Sekunden raus. Und das, obwohl da ein paar Knöpfe mehr als bei der Gopro sind. Praktisch (bei meiner privaten, alten Hero3+ noch nicht Teil des Standarprogrammes und bei der zuletzt von mir getesteten auf Hobbitgröße abgespeckten Hero4-Session sowieso nicht im Programm): Die Trennung von Video- und Fotoaufnahme-Button. Damit lassen sich während des Filmens Schnappschüsse machen. Das Standbild-aus-dem-Video-Rauskopieren entfällt – und auch der damit verbundene Qualitätstverlust.

Sportgeräte verbinden

Alle anderen Funktionen der Virb erklären sich zwar auch von selbst – es empfiehlt sich aber doch, sie nicht erst "on the go" zu aktivieren und auszuprobieren, sondern der Kamera vorab zehn Minuten Aufmerksamkeit zu schenken und mit den Settings zu spielen. Etwa um das integrierte GPS zu aktivieren, mit dem ebenfalls eingebauten G-Force-Sensor zu blödeln oder etwaige Peripheriegeräte zu verbinden: Garmin ist ja in Sachen Sportcomputer einer der tonangebenden "Player" – und so ist es kein Wunder, dass die Virb sich mit allerlei Sport-Zeugs verbinden lässt.

Brustgurten und anderen über ANT+ kommunizierende Messgeräte etwa. Trittfrequenzsensoren oder Wattmesser am Rad zählen da auch dazu. Blöderweise – ich bin Polar-Nutzer – verständigen sich meine Puls- und sonstigen Geräte über ein anderes technisches Protokoll – also gab ich die Kamera nach einem kurzen Foto-Testlauf bei "Rasen am Ring" an meine Garmin-affine Freundin Cornelia weiter.

Rasen am Ring.
Foto: Thomas Rottenberg

Cornelia testete die weitwinkelige und vorschaumonitorlose Kamera beim abendlichen Laufen in Wien und beim Graz-Marathon als Fotoapparat und beim Radfahren als Videokamera. Gefilmt haben wir beide zwar auch beim Laufen, aber dieses Ruckeln überfordert jeden Bildstabilisator. (Der Hashtag heißt "Augenkrebs"…).

Cornelias Erfahrungen deckten sich mit meinen: Einfaches Handling in allen Lebenslagen – und eine für unsere Anforderungen mehr als ausreichende Video- und Bildqualität. Gefilmt wird mit 30 Bildern pro Sekunde in 1440p. Bei 1080p sind 60 Bilder pro Sekunde möglich: Full HD. (Eine 4K-Auflösung wie bei der GoPro Hero 4+ gibt es nicht).

Die 12 Megapixel-Kamera schafft auch Fotos bei "kritischen" Lichtverhältnissen problemlos – solange man dabei nicht all zu wild herumfuchtelt.

Foto: c. rehberger

Und weder Regen noch Wind noch Kälte noch grobes Behandeln scheinen das Ding zu beeindrucken. (Freilich: Ob die Akkulaufzeit bei Minusgraden und am Helm dann auch die versprochenen zwei Stunden beträgt, lässt sich so nicht sagen. Auch ob die Kamera tatsächlich bis 50 Meter wasserdicht ist, die Fernsteuerungsfeatures und das Synchronisieren mehrerer Kameras haben wir nicht ausprobiert.)

Hinweis: Die Videos auf derStandard.at werden encodiert, um ihr Datenvolumen zu verringern und sie auf unterschiedlichen Endgeräten abspielbar zu machen.
c. rehberger

Wirklich lustig wird es mit der Virb aber dann danach: Über die (ebenfalls deppensicher zu bedienende) App lassen sich Videos nicht nur schneiden und kombinieren, sondern auch mit Körper- und Umgebungsdaten auffetten: Ob Tacho, Puls- und Pedalumdrehungen oder Beschleunigungswerte oder Bewegungsrichtungen bleibt jedem und jeder selbst überlassen – die Settings dafür sind ebenso vielfältig wie spaßig.

Cornelias Fazit deckt sich (bis auf ihr "die Menüführung fand ich nicht so intuitiv, wie du es angekündigt hattest") mit meinem: "Super, aber halt Spielerei. Die Verbindung mit den Sensoren ist zwar lustig, aber für den Hausgebrauch find ich das übertrieben. Aber wenn man sein Training ganz genau analysieren will, ist es sicher super."

Der Preis? Die Virb XE kostet 399€, die etwas abgespeckte Virb X kommt auf 299€. Damit liegt Garmin dort, wo GoPro vergleichbare Kameraleistungen anbietet, aber eben Zusatzfeatures ausspart.

Die große Gopro-Halterungs-Familie dürfte bei einem etwaigen Umstieg übrigens kein Problem sein: Die Virb passt in Gopro-Mounts. (Thomas Rottenberg, 18.10.2015)