Foto: Causa Creations
Foto: Blood Irony Games / Shooting Stars
Foto: Broken Rules / Secrets of Raetikon
Foto: Sarah Hiebl / Close
Foto: Sabine Harrer / Cunt Touch This
Foto: Philipp Seifried / Ace Ferrara
Foto: Mipumi / The Lions Song

Dass Spiele auch ins Museum gehören, hat bereits vor drei Jahren das renommierte Museum of Modern Arts in New York bewiesen. Trotzdem klafft traditionell immer noch ein tiefer Graben zwischen der Welt der Videospiele und der Welt der Kunst. Eine aktuelle Ausstellung im 15. Wiener Gemeindebezirk versucht den Brückenschlag: In der Hollerei Galerie sind vom 19. Oktober bis 13. November ausgewählte Kunstwerke aus den Spielen von Wiener Entwicklerstudios zu sehen – und zwar nicht in Form der Spiele selbst, sondern als eine Auswahl von Einzelbildern, die in Museumsqualität ausgearbeitet wurden. Bilder aus den Spielen von Wiener Entwicklern wie Bloodirony Games, Broken Rules, Mi'pu'mi Games, Philipp Seifried, Socialspiel und anderer lokaler Größen finden sich so im Galeriekontext wieder.

Für den Kurator der Ausstellung "Viennese Videogame Aesthetics", den ehemaligen Spieleentwickler, Künstler und promovierten Kunstphilosophen Christian Bazant-Hegemark, liegt in dieser statischen Form der Präsentation die besondere Herausforderung: "Die jetzige Ausstellung war von Anfang an so konzipiert: Was geschieht wenn ein interaktives Medium seiner Interaktivität beraubt wird? Was passiert, wenn man aus einem Medium mit einer Refresh-Rate von 30-60 Frames pro Sekunde ein einzelnes Bild herausnimmt und hervorhebt?"

Die Entscheidung, die Spiele in Form von einzelnen Bildern zu präsentieren, komme aber auch dem Galeriebetrieb entgegen: "Werden Spiele in ihrer ursprünglichen Form ausgestellt, also als interaktives, zeit-basiertes Medium, gibt es ja auch keine verkäufliche Ware, an welcher die Galerie verdienen könnte." Berührungsängste der Kunstwelt mit dem jungen Medium habe es dabei in diesem Fall nicht gegeben, so Bazant-Hegemark: "Die Ausstellung wurde sehr positiv angenommen. Die Hollerei Galerie wurde von Margit und André Stolzlechner erst dieses Jahr gegründet, es handelt sich also um ein sehr junges Projekt. Der Standort ist im 15. Bezirk, etwas fernab der etablierten Wiener Galerien. Das ist sicher mit ein Grund, warum dort experimentiert werden kann."

Kurator Christian Bazant Hegemark (links) und André Stolzlechner.
Foto: Stefan Joham

Lokal, global, kritisch

Einen speziellen "Wiener Stil" gibt es aber, trotz des Ausstellungstitels, im Gamesbereich nicht – "jemand, der heute noch in Wien arbeitet, kann das morgen schon in Vancouver tun" -, wohl aber eine gemeinsame Geschichte: "In Wien war mit Rockstar Vienna für kurze Zeit der größte Arbeitsplatz für Videospielentwicklung im deutschsprachigen Raum angesiedelt. Die abrupte Schließung im Jahr 2006 hat aber eine seltene Startup-Kultur gefördert, weil über Nacht mehr als 120 Angestellte einen neuen Fokus brauchten." Auch Bazant-Hegemark selbst hat bis zur Schließung als Programmierer bei Rockstar Vienna gearbeitet, sich aber dann der Kunst und darauf der Philosophie zugewandt.

Bei vielen der ausgestellten Werke zeigt sich, dass die für gewöhnlich als reine Unterhaltungsprodukte wahrgenommenen Spiele auch gesellschaftspolitische und sozialkritische Aussagen treffen. Das geht von ausdrücklich als Politsatire angelegten Spielen wie "1700", in dem der Polizei-Großeinsatz bei der Räumung der Pizzeria Anarchia in Form eines "Lemmings"-Klons gezeigt wird, bis hin zu Sabine Harrers "Cunt touch this", in dem Schamgefühl und Tabuisierung eine bedeutende Rolle spielen. So gut wie alle ausgestellten Spiele gehen auf die eine oder andere Art über ihren bloßen Warencharakter als Unterhaltungsprodukt hinaus: "From Darkness" dokumentiert die Lebensrealitäten in Ostafrika, "CHESTO – At The Checkout" thematisiert Ausbeutung und Prekarität und in "Forsaken" geht es um Hinterlassenschaften und welche Aussagekraft diese über ihre ehemaligen Besitzer haben könnten. "Die ausgestellten Spiele finden einen nuancenreichen Umgang mit einem Medium, das sonst oft in Klischees agiert", meint Bazant-Hegemark.

Foto: Michael Benda / Schein

Ästhetische Bandbreite

Die Ausstellung "Viennese Videogame Aesthetics" richtet sich demnach auch an ein Publikum, das sonst derartige Nuancen im "fremden" Medium Videospiele nicht erwarten würde, aber auch an Besucher, die einen ungewöhnlichen Blick auf die Wiener Spielentwicklerszene werfen wollen, ohne den internationalen Aspekt der Videospielkultur zu verneinen. "Bereits Old-School-Spiele wie ‘Tetris’, ‘Lemmings’, ‘Pac-man’ oder ‘Super Mario’ hatten die Fähigkeit, neben ihrer klaren Wirtschaftlichkeit auch globale kulturelle Phänomene zu sein. Ich wollte in dieser Ausstellung vor allem die ästhetische Bandbreite der hiesigen Spieleentwicklungen zeigen, da diese außerhalb ihrer eigenen Kreise gar nicht so bekannt ist. Das führt natürlich auch dazu, dass ‘ruhige’, sensible Werke neben lauteren, kontrastreicheren ausgestellt werden. Das ist aber vielleicht auch das spannende Moment der Ausstellung: Was passiert, wenn ‘ruhige’ Arbeiten zum Beispiel in bedeutend größeren physischen Formaten ausgestellt sind, als ihre ‘lauteren’ Verwandten?" Bis zum 13. November lässt sich diese Frage durch den Besuch der Ausstellung noch beantworten. (Rainer Sigl, 17.10.2015)