Nicht die weiterhin instabile Lage der Finanzmärkte, auch nicht die Schwierigkeit der Betriebe, trotz niedriger Leitzinsen rasch und einfach an Kredite für Investitionen heranzukommen, gehört zu den größten Sorgen der Wirtschaftstreibenden in Europa und weltweit. Die größte Unsicherheit gehe von geopolitischen Turbulenzen, Krisen und Krisen in Nahost und Afrika sowie den Migrationsströmen aus, die für Instabilität sorgen könnten.
Das ist im Kern die Aussage einer Vertrauensstudie unter den Wirtschaftsverbänden der Welt, die diese Woche in Luxemburg bei der Global Chamber Plattform abgearbeitet wurde. Die Wachstumsaussichten für 2016 werden in Industrieländern leicht besser eingeschätzt als in den Schwellenländern – allerdings nur, wenn es gelinge, mit dem Flüchtlingsproblem fertig zu werden, das auf einigen Staaten lastet.
"Wir haben die demografische Entwicklung einerseits und andererseits die Dynamik, die von Krisengebieten ausgeht, alle unterschätzt", sagt dazu Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im Gespräch mit dem STANDARD. Er warnt davor, sich bezüglich der Flüchtlingsströme falschen Illusionen hinzugeben. "Wenn dieser Prozess ungeordnet und chaotisch verläuft, dann macht das den Menschen Angst."
Er spreche sich daher dafür aus, dass man so rasch wie möglich ganz konkrete Lösungen finde. Europa sei demografisch gesehen ohnehin ein stark alternder Kontinent. "In Afrika oder im Iran gibt es hingegen enorm viele Junge, in Afrika mehr als 700 Millionen Menschen unter 30." Die Europäer müssten "Marshallpläne" zur Entwicklung in Afrika aufstellen, sagt Leitl, aber jene, "die zu uns kommen und als Asylwerber anerkannt werden, die soll man nicht bloß aufnehmen und unterbringen, sondern ihnen sofort eine vernünftige, sinnvolle Arbeit geben". Wirtschaft und die Sozialpartner stünden bereit, dies mit der Regierung umgehend zu klären. Langfristig würde dies den Standort stärken, "das sind Kosten, die später als Nutzen zurückkommen", so Leitl.
Die Integration von 80.000 Flüchtlingen halte er für durchaus realistisch, auch wenn man keine Versprechungen machen könne. Leitl: "Zu sagen, wir schließen uns ab, das wird nicht gehen." (Thomas Mayer aus Brüssel, 17.10.2015)