Der Deutsche möchte seine Spaghetti, der Italiener seine Knödel – mittendrin die Südtiroler.

Foto: APA/dpa/Hendrik Schmidt

Da ist zunächst einmal das Nackte-Haut-Problem. Wenn die Sonne hinter der Bergstation versinkt, strebt der beflissene Tourist, egal ob Italiener oder Deutscher, rasch dem Tal und dort vor allem den heißfeuchten Arealen zu. Die deutschen Gäste beginnen die Schwitzkur mit einem längeren Zwischenstopp im Iglu oder an der Schirmbar, wo sie sich Bier sowie Schnaps mit Sahne einverleiben und dazu gerne mal aus Mallorca vertrautes Liedgut mitsingen, Zehn nackte Friseusen etwa oder Komm hol das Lasso raus. Après Ski halt.

Davon hält der italienische Gast nicht viel. Erstens trinkt er kaum Alkohol, zweitens ist es nicht seine Musik, und drittens schwitzt er in seinen Moonboots und dem kanarifarbenen Skioverall (original von 1992) schon genug, sodass er erst einmal aufs Zimmer muss, um sich dort die Badehose anzuziehen.

In Badehosen in die Sauna

Irgendwann treffen sich dann Lateiner und Germanen im Wellnessbereich, und dort wird es brenzlig. Denn während die Deutschen regelkonform blankziehen und nachmittäglichen Restalkohol in die ausreichend großen Saunahandtücher hinein transpirieren, liegt mancher Italiener gerne in der Badehose auf der blanken Saunabank.

Das gibt natürlich unschöne Flecken auf dem Holz und böse Blicke der deutschen Mitgäste – wenn es überhaupt zu einem gemeinsamen Saunasitzen kommt. Denn sieht ein italienischer Gast durch die getönte Glasscheibe, dass bereits ein Nackter oder, noch gravierender, eine Nackte in der Sauna sitzt, dreht er schnell bei und legt sich lieber mit seinesgleichen in den Whirlpool, um ein paar schlüpfrige Witze über die "tedeschi nudi" da drinnen zu machen.

Abendbrot um sieben

Gewöhnlich können die Italiener aber den Wellnessbereich etwas länger nutzen, denn Schlag sieben sitzt der deutsche Gast beim Abendbrot. Schließlich gab es mittags auf der Hütte nur einen leichten Kaiserschmarrn, spätnachmittags noch ein, zwei "Cappuccinos", für die Damen "Latte", und da ist natürlich Hunger vorhanden. Der Italiener freut sich auch schon den ganzen Nachmittag auf seine Cena Tirolese, aber sich vor halb neun an den Tisch zu setzen, verbietet ihm seine genetische Prägung. Klein- und Kleinstkinder sind bei den Italienern bis zum Ende des mehrgängigen Abendmenüs dabei, und seien sie auch noch so müde und raunzig. Niemals fiele den Eltern ein, die Kinder schon vorher abzuspeisen und dann mittels Babyfon auf dem Zimmer zu überwachen, so wie es die Deutschen am Nebentisch tun.

Das Essen schmeckt aber allen, wenn auch unterschiedliches. Gäste aus norditalienischen Großstädten wähnen sich in Südtirol eigentlich schon in Österreich, wollen deshalb vor allem Rustikales wie Canederli (Knödel), Wurstel (Würstel) und Crauti (Sauerkraut) essen. Ein großes Skigebiet im Osten des Landes hat festgestellt, dass italienische Gäste auf seiner Facebook-Seite häufig Fotos von Röstkartoffeln mit Speck und Spiegeleiern posten. Die deutschen Gäste hingegen fühlen sich schon fast im Land, wo im dunklen Laub die Goldorangen glühen, und lassen sich auch auf 2.000 Metern über der Adria dankbar Spaghetti alle Vongole schmecken.

Buona notte!

Die Wirte, Nutznießer und dienstfertige Erfüllungsgehilfen solch kulinarischer Urlaubswünsche, freut das natürlich, egal ob sie italienischer oder deutscher Muttersprache sind. Bei einer anderen Sache kommen sie aber ins Schwitzen: den Schlafgewohnheiten.

Hier kommt es nicht selten vor, dass italienische Gäste an der Rezeption fragen, ob sie nicht die gewohnte Wolldecke mit dem rundherum unter die Matratze gesteckten Leintuch (lenzuolo) bekommen könnten – anstatt dieses komischen, lose aufliegenden Federbetts. Und umgekehrt ist es den Deutschen unerklärlich, wie man unter einem straff gespannten Leintuch, in das sich die Zehennägel bohren, Schlaf finden soll. Weswegen sie jeden Abend aufs Neue darangehen, alles herauszureißen. Ausbaden muss das die slowakische Putzfrau. Buona notte! (Hans Gasser, 4.1.2016)