STANDARD: Ist die Beschäftigung mit Essen der Sex des Alters?

Pertramer: Glaub ich nicht. Es hat mit Prioritäten zu tun. Andere haben gern schnelle Autos und tolle Uhren. Ich habe Kulinarik für mich entdeckt. In meinem gestressten Berufsleben holt mich das Kochen einfach extrem runter. Und wenn man selbst viel kocht, fragt man sich irgendwann, woher die Zutaten kommen.

STANDARD: Nicht jeder geht dann gleich zur Schlachtbank. Wie entstand die Idee zu "Ochs im Glas"?

Pertramer: Die gibt’s schon ganz lange. Beim Opa meiner Frau gab es immer ganz viel überschüssiges Obst. Wir wussten nie, was wir damit anfangen sollten. Irgendwann stieß ich auf die Rex-Glaseln und über eine Antiquitätenseite auf ein Rex-Buch von 1918. Da werden auch Tiere eingerext. Hase, Hendl, Lamm, Schwein, und zum Schluss war der Ochs. Wahnsinn, die haben einen ganzen Ochsen eingerext! Ich wollte ausprobieren, ob das möglich ist. Am Ende hatten wir 600 Gläser.

STANDARD: Und Thomas Nowak und Florian Holzer waren Ihre Wunschpartner?

Pertramer: Thomas kenne ich schon länger, er ist wie ich ein kulinarischer Freak und sagte sofort zu. Florian kannte ich nicht, aber ich dachte, es könnte passen. Bei den Innereien ist er der Spezialist.

Thomas Nowak, Ingo Pertramer und Florian Holzer am Fleisch.
Foto: ORF/Jenseide/Hanna Gassner

STANDARD: Ihr Spezialgebiet?

Pertramer: Das Organisatorische, das übrigens bei einem Kochtag total kompliziert ist. Die Gläser müssen sterilisiert sein und fixfertig da stehen, Einkäufe sind zu koordinieren. Am Anfang hatten wir damit große Probleme, aber es spielte sich ein. Zum Schluss waren wir super.

STANDARD: Was war die größte Schwierigkeit?

Pertramer: Die Innereien zu verarbeiten, denn die halten nur zwei Tage. Wir arbeiteten bis zu 20 Stunden pro Tag und haben gekocht wie die Wahnsinnigen. Das war deprimierend: Du kochst zwei Tage Innereien, und dann sind genau 16 Gläser voll. Die ganze Zeit schüttete es in Strömen, ich war krank, es kam einiges zusammen, aber wir haben es geschafft.

STANDARD: Ließen Sie sich von Experten beraten?

Pertramer: Ich kontaktierte die Familie Weck und telefonierte mit dem Enkel. Er hielt uns für verrückt. Interessant war, dass in den letzten fünf Jahren offenbar so viele Gläser bestellt worden sind wie lange davor nicht. Dabei wollten sie die Produktion schon einstellen. Jetzt sperren sie in Chicago ein Geschäft auf. Wir sind am Puls der Zeit. Die Leute schauen wieder, was sie essen.

Produzierter Jahresbdarf an Gulasch im Glas.
Foto: ORF/Jenseide/Hanna Gassner

STANDARD: "Ochs im Glas" ist ein reines Männerprodukt. Frauen hatten dabei nichts verloren?

Pertramer: Wir haben es so kurzfristig entschieden, dass es einfach so passiert ist. Der Frauenanteil entspricht nicht der Quote. Finde ich auch nicht gut.

STANDARD: Produziert haben Sie in Eigenregie, vorerst ohne Sender, ohne Förderung. Wie ging das?

Pertramer: Es geht da um komplette Selbstausbeutung des ganzen Teams. Jetzt sind wir mit der ARD in Verhandlung. Mit dem ersten Geld, das wir verdienen, können wir uns die Untertitelung in Spanisch und Französisch leisten. Das Ganze kriegt ein Weltvertrieb aus den Niederlanden, der die Serie sehr wohl am Weltmarkt sieht. Weil er weiß, dass es selbst in Argentinien Leute gibt, die das interessiert.

STANDARD: Wie haben Sie den ORF überzeugt?

Pertramer: Ich komme nicht vom Fernsehen. Ich hatte eine Idee, und ich glaubte daran. Wir haben das selber aufgestellt, mit einem Menschen, der auch an uns geglaubt hat, der uns Geld geborgt hat. Und jetzt kommt es in der Dienstagnacht.

Wie aus Tieren Essen wird, interessiert auch in Argentinien, glaubt Ingo Pertramer.
Foto: ORF/Jenseide/Hanna Gassner

STANDARD: Ist das so? Wenn Sie sich etwas in den Kopf setzen, wird es?

Pertramer: In der Fotografie war ich immer Grenzgänger. Ich habe mich nie bei einer Agentur beworben, nie Werbung gemacht, sondern immer nur, was mir getaugt hat. Ich bin immer an der Finanzexistenzschwelle gewesen, weil ich ganz oft zu blöd war, irgendwelche großen Geschäfte daraus zu machen.

STANDARD: Wie war es für Sie, der für gewöhnlich hinter der Kamera steht, jetzt davor?

Pertramer: Schon sehr komisch. Heute vor dem Interview war mir zum Beispiel extrem schlecht. Ich spüre eine gewisse Aufgeregtheit. Mir gefällt, was jetzt passiert, aber hinter der Kamera bin ich definitiv sicherer. Am Schneideplatz sich selbst zu sehen und zu hören – unheimlich. (Doris Priesching, 18.10.2015)