Es ist der längste Krieg in der US-Geschichte, und Barack Obama wollte ihn beenden. Daraus wird nun nichts. Der US-Präsident wird Anfang 2017 aus dem Amt scheiden, und seine Armee wird weiter am Hindukusch stehen. Die geplante Reduktion auf wenige Hundert Militärberater gibt die aktuelle Lage in Afghanistan militärstrategisch und politisch einfach nicht her. Das Weiße Haus ist zu einer scharfen Kehrtwende gezwungen.

Das hat zumindest zwei Gründe: Der an sich zögerliche Obama mag einerseits etwas aus der jüngsten Geschichte gelernt haben; und andererseits will er den Republikanern keine scharfe politische Munition gegen seine potenziellen Nachfolger aus der Demokratischen Partei liefern.

2011 beendete Obama den von George W. Bush geerbten Konflikt im Irak, blies zum Abzug und zog damit in den Wahlkampf. Kaum war der allerdings geschlagen, gerieten die Dinge im Irak außer (amerikanische) Kontrolle, die Regierung in Bagdad lehnte sich immer mehr in Richtung Teheran, und der "Islamische Staat" (IS) konnte in einem sicherheitspolitischen Vakuum blutig zu wuchern beginnen.

Besorgniserregende Zeichen gab es zuletzt auch in Afghanistan, wo die Taliban Kunduz eroberten und nur mit Mühe wieder vertrieben werden konnten. Talibanflaggen über Kandahar, Jalalabad oder Kabul sind das Letzte, was ein demokratischer Präsident in einem Wahljahr braucht – auch wenn er sich nicht mehr um die Wahl, sondern nur noch um sein Bild in der Geschichtsschreibung kümmern muss. (Christoph Prantner, 16.10.2015)