Bild nicht mehr verfügbar.

Henriette Reker trat als parteilose Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Köln an.

Foto: APA/dpa/Oliver Berg

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Polizist nach dem Angriff am Braunsfelder Wochenmarkt.

Foto: APA/EPA/FEDERICO GAMBARINI

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Schild mit der Aufschrift 'Keine Macht dem Hass!' steht in der Nähe des Tatorts.

Foto: APA/dpa/Federico Gambarini

Köln – Einen Tag vor der Kölner Oberbürgermeister-Wahl ist die parteilose Kandidatin Henriette Reker am Samstag bei einem Messerangriff an einem CDU-Wahlkampfstand schwer verletzt worden. Der noch am Tatort in Köln-Braunsfeld festgenommene Attentäter nannte nach Polizeiangaben Fremdenfeindlichkeit als Motiv.

Allerdings schlossen die Ermittler eine psychische Störung bei dem Mann nicht aus. Trotz des Attentats findet die OB-Wahl am Sonntag statt.

Der 44-jährige Kölner, der laut Polizei seit Jahren arbeitslos ist und Hartz-IV-Gelder bezieht, war am Samstagmorgen kurz nach 9.00 Uhr an dem CDU-Infostand auf Reker und vier weitere Menschen losgegangen. Er fügte der 58-jährigen OB-Kanidatin mit einem sogenannten Bowiemesser einen "Messerstich im Halsbereich" zu, wie der Ermittlungsleiter Norbert Wagner am Nachmittag in Köln sagte. Reker wurde in ein Kölner Krankenhaus gebracht und dort notoperiert.

Lebensgefahr gebannt

Sie ist nach einer Notoperation laut den behandelnden Ärzte außer Lebensgefahr. "Die Operation von Frau Reker ist sehr gut verlaufen", teilte Professor Bernd Böttiger von der Uniklinik Köln am Samstagabend mit. "Wir haben keinen lebensbedrohlichen Zustand mehr."

Professor Karl-Bernd Hüttenbrink, Direktor der Klinik für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde der Uniklinik, sagte zur Prognose für die 58-jährige Reker: "Wir halten zum jetzigen Stand und bei normalem Verlauf die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit von Frau Reker für wahrscheinlich." Die Ärzte wollten sich frühestens am Sonntagnachmittag wieder zum Zustand Rekers äußern, sagte ein Sprecher der Uni-Klinik.

Der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau, der Augenzeuge des Angriffs im Stadtteil Braunsfeld war, sagte der "Rheinischen Post" hingegen, der Angreifer habe Reker mit einem Messer in den Bauch gestochen. Vor dem Angriff habe der Mann gerufen: "Ich rette Messias. Das ist alles falsch, was hier läuft, ich befreie Euch von solchen Leuten." Nach der Attacke sei er dann ganz ruhig stehengeblieben und habe gesagt: "Ich musste es tun. Ich schütze Euch alle."

Bei dem Angriff wurden eine weitere Frau schwer und die übrigen drei Angegriffenen leichter verletzt.

Psychiatrische Untersuchung

Wegen des vermuteten fremdenfeindlichen Hintergrunds übernahm bei der Staatsanwaltschaft Köln die Abteilung für politisch motivierte Straftaten die Ermittlungen, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Jakob Klaas sagte. Der tatverdächtige frühere Maler und Lackierer sollte noch am Samstag psychiatrisch untersucht werden.

Nach Angaben der Polizei handelte der Angreifer offenbar allein. Er sei zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten, sagte Kriminaldirektor Wagner. Dem Ermittlungsleiter zufolge bezog sich der seit Jahren in Köln lebende Mann bei seiner Aussage zum Motiv zwar nicht ausdrücklich auf die Flüchtlingspolitik. Er habe aber seine ausländerfeindliche Haltung deutlich gemacht. Medienberichten zufolge soll der Mann auf Augenzeugen einen verwirrten Eindruck gemacht haben.

FAP-Beteiligung

Der Angreifer soll nach einem unbestätigten Medienbericht in den 1990er-Jahren bei einer Neonazi-Gruppe aktiv gewesen sein. Der aus Bonn stammende Mann soll zu der Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) gehört haben, berichtet "Spiegel Online" ohne direkten Bezug auf eine Quelle. Die rechtsextreme Gruppe war 1995 vom deutschen Innenministerium verboten worden.

Zuletzt sei der Mann mit ausländerfeindlichen Kommentaren im Internet aufgefallen, berichtete "Spiegel Online" unter Berufung auf Behörden. Die Polizei teilte mit, der Täter habe später erklärt, "dass er vor langer Zeit, vor 20 Jahren politisch tätig war". Es gebe keine Erkenntnisse, dass der Angreifer in einer Partei oder Organisation aktiv sei, sagte ein Ermittler am Samstagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Köln.

Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker reagierten bestürzt auf den Vorfall in Köln. Laut einer Regierungssprecherin telefonierte die deutsche Bundeskanzlerin Angel Merkel (CDU) nach dem Angriff mit dem nordrhein-westfälischen CDU-Chef und Bundesvize Armin Laschet. Dabei habe sich Merkel nach Rekers Zustand erkundigt und Genesungswünsche übermittelt. "Die Kanzlerin hat ihre Bestürzung geäußert und die Tat verurteilt", sagte die Regierungssprecherin.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) zeigte sich "zutiefst schockiert über diese abscheuliche und feige Tat". Justizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem "Angriff auf alle Demokraten". SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte der Onlineausgabe des "Kölner Stadt-Anzeigers", der Angriff "war ein Angriff auf uns alle, unsere demokratische Kultur und unser friedliches Miteinander". Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) äußerte sich auf Twitter "schockiert über die Attacke" auf Reker. "Das ist ein Angriff auf uns alle."

Nach Angaben von Kölns Wahlleiterin Gabriele wird die Oberbürgermeisterwahl am Sonntag wie geplant stattfinden. Reker und der SPD-Politiker Jochen Ott sind die aussichtsreichsten Kandidaten bei dem Urnengang. Die parteilose Reker wird von Grünen, CDU und FDP unterstützt. (APA, 17.10.2015)