Das Schlussergebnis der Schweizer Nationalratswahl zeigt, dass der Rechtsruck noch deutlicher ausfällt, als es die Hochrechnungen und ersten Teilresultate am Sonntagabend andeuteten. Laut dem am Montagmorgen veröffentlichten amtlichen Resultat hat die rechtskonservative SVP mit 29,4 Prozent der Stimmen und 65 Sitzen sogar ihr bisher bestes Resultat von 2007 leicht übertroffen. Auch die liberale FDP hat um 1,3 Prozent zugelegt, sodass die Rechtsbürgerlichen nun – zusammen mit drei Vertretern von kleinen Rechts-außen-Parteien – über eine Mehrheit in der großen Parlamentskammer verfügen. Dieser für Schweizer Verhältnisse außerordentlich starke Rechtsruck dürfte auch die künftige Zusammensetzung der Regierung prägen und die Suche nach mehrheitsfähigen Lösungen im Parlament erschweren.

Um eine Chance auf einen zweiten Sitz im Bundesrat zu haben, der siebenköpfigen Regierung, die am 9. Dezember vom Parlament gewählt wird, muss die SVP aber einen gemäßigten Kandidaten aufstellen, der zum Beispiel in der Europafrage nicht den SVP-Isolationskurs fährt.

Ihren Wahlerfolg verdankt die SVP in erster Linie ihrer geballten Medienpräsenz und ihrem smarteren, weniger provokanten Auftreten im Wahlkampf. Statt der berüchtigten Messerstecher-Inserate und Plakaten mit schwarzen Schafen präsentierte sich die Partei in Videoclips als bunter Gesangsverein mit eingängigen Schunkelstrophen und inszenierte ihren Vordenker, den Multimillionär Christoph Blocher, als harmlosen Senior in Badehose beim Kopfsprung in den eigenen Swimmingpool. Und derlei kam offenbar an, die Clips verbreiteten sich viral hunderttausendfach und schafften auch den Sprung in die Presse: "Weil die Redaktionen aufgrund der digitalen Messung genau wissen, welche Themen gut geklickt werden, passen sie sich immer mehr dem Populärgeschmack an. Auch die sogenannten seriösen Medien werden zunehmend von der Sensationslust der Leserschaft gesteuert", erklärt der Politologe Michael Hermann im Branchendienst persönlich.com. Und so habe es die SVP geschafft, nicht nur ihre eigene Basis zu mobilisieren, sondern auch Wähler anzusprechen, die man mit den früheren, aggressiven Kampagnen abgeschreckt habe.

Auch ein Rechtsruck in den Medien habe der SVP in die Hände gespielt, so Hermann: "Gewisse Medien wie 'Weltwoche', 'Basler Zeitung' und 'Neue Zürcher Zeitung' tragen einen großen Teil zu dieser veränderten Wahrnehmung bei, wenn sie die Zusammensetzung des Bundesrats und des Parlaments plötzlich als 'Mitte-links' bezeichnen. Hier handelt es sich um einen Kampf mit Worten."

Doch die Bäume wachsen auch für die SVP nicht in den Himmel. In der kleinen Kammer, dem Ständerat, hat die Partei wie bisher nur fünf von 46 Sitzen inne und dürfte auch in den zweiten Wahlgängen, die in zwölf Kantonen noch anstehen, kaum einen Sitz dazugewinnen. Denn bei diesen Majorzwahlen haben nur gemäßigte und kompromissfähige Kandidaten eine Chance. Das gilt jetzt erst recht, da die Suche nach tragfähigen Lösungen, die in beiden parlamentarischen Kammern mehrheitsfähig sind, in den kommenden Jahren zur zentralen politischen Herausforderung in Bern werden wird. (Klaus Bonanomi aus Bern, 19.10.2015)

SVP-Präsident Toni Brunner am Wahlabend.